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Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Grappa 11 - Grappa und das große Rennen

Titel: Grappa 11 - Grappa und das große Rennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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keine Anmache, keine Körpersignale, die ein erotisches Erlebnis versprachen. Er schien wie ausgewechselt, als wir eine Weile im Biergarten gesessen hatten.
    Er saß dicht neben mir über Eck, fixierte einen unsichtbaren Punkt im Grün der Platane über uns, guckte dann wieder auf mich – und zwar so überrascht, als könne er nicht glauben, dass er sich mit mir an diesem Tisch befände.
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte ich nach einer Weile. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Er guckte mich stumm an. Sein Blick war verschleiert und er schien ganz weit weg zu sein.
    »Nazmi!« Ich fasste seinen Arm. »Sie wollten mit mir in dieses Lokal gehen – es war Ihre Idee.«
    Er schwieg.
    »Sie wollten mir eine Geschichte erzählen«, erinnerte ich ihn. »Von der Frau, der ich ähnlich sehen soll.«
    »Sie sind nicht wie sie«, brach es aus ihm heraus. »Niemand ist wie sie. Ich habe mich geirrt.«
    »Und was jetzt?«
    »Sie war allein. Ich habe sie allein gelassen. Es ist meine Schuld.«
    »Wen meinen Sie?«
    Er schaute mich an und sein Blick war der eines Menschen in seelischer Not.
    »Ich kann nicht«, murmelte er. Dann schwieg er wieder.
    Als die Kellnerin nach unseren Wünschen fragte, kam keine Reaktion.
    »Danke, wir haben es uns anders überlegt«, sagte ich. »Wir gehen wieder.« Ich erhob mich, strich meine Hose glatt und fragte: »Finden Sie allein nach Hause?«
    Er antwortete nicht.
    »Schönen Abend noch«, wünschte ich und ging durchs Tor auf die Straße.
    In meinem Auto sitzend, gab ich meiner Freundin Entwarnung: »Alles okay. Es war nur ein Verrückter. Irgendwie schwer depressiv.«
    »Vielleicht lag's an dir?«, fragte sie. »Du weißt, wie du manchmal auf Männer wirkst.«
    »Natürlich lag's an mir. Das ist die Reizüberflutung, die von mir ausgeht. Manche Männer brauchen Jahre, um sich davon zu erholen.«

Sesselfurzer
    Am Nachmittag hatte ich meine hundert Zeilen fertig gehackt: Maskenmörder schlägt wieder zu – SPD-Parteichef folgt Genossen in den Tod – so die Überschrift.
    Paul Manthey, Chef des SPD-Unterbezirks und Europaabgeordneter, lebt nicht mehr. Sein massiger Körper wurde unbekleidet im Morgengrauen des gestrigen Tages von Frührentner Anton B. in den Blumenbeeten vor dem Bierstädter Rathaus gefunden. Ermordet durch eine Kugel in den Kopf. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte der schockierte Rentner und SPD-Stammwähler: »Eigentlich wollte ich nur pinkeln – und dann das!«
    Dass es sich um seinen Parteivorsitzenden handelte, konnte Anton B. nicht wissen, denn der Kopf des Toten war mit einer schwarzen Ledermaske überzogen. Die gleiche Maske, die auch Willi Junghans vor dem Gesicht trug, als er ermordet wurde. Könnte hier ein Serientäter am Werk sein, der diese Stadt und ihre Mehrheitspartei um die politische Prominenz berauben will?
    Die Kleider des Toten wurden nicht gefunden, er trug zuletzt eine beige Breitkordhose und einen kurzärmeligen orange-blau-gelb-grün-pink gemusterten Pullover.
    Die Staatsanwaltschaft scheint völlig ratlos, glaubt aber nach wie vor nicht an politische Hintergründe, sondern an private Racheakte.
    Nach den Recherchen unserer Zeitung verlief der Abend, an dem Manthey sterben musste, folgendermaßen: Der Parteivorsitzende war am Abend seines Todes mit dem OB-Kandidaten Jakob Nagel zu einem Gespräch über dessen Wahlkampf verabredet. Bei dem Treffen soll es zu einem heftigen Streit zwischen Nagel und Manthey gekommen sein. Der Grund: Manthey weigerte sich, Nagels persönlichen OB-Wahlkampf mit Parteigeldern zu unterstützen. Nach einem einstündigen Gespräch verließ Manthey, nach Aussage des Pförtners, das Rathaus. Dabei soll der Parteichef erbost gerufen haben: »Bezahl deinen Scheißwahlkampf doch selber, du intellektueller Sesselfurzer!«
    Wenig später muss Manthey dann seinem Mörder begegnet sein.

Lasterhafte Welt
    In der Nacht, bevor der Artikel die Leserschaft des Bierstädter Tageblattes erreichte, warf ein Unbekannter einen Bekennerbrief in den Redaktionsbriefkasten.
    Die Redaktionssekretärin, deren Dienst eine Stunde vor den Redakteuren begann, läutete Peter Jansen an, der mich informierte. Ich beschränkte mich auf eine Katzenwäsche und ein Minifrühstück und düste in die Redaktion.
    »Hier!« Er reichte mir den Zettel. »Es scheint wieder ein Zitat zu sein. Vielleicht von diesem de Sade. Hört sich auf jeden Fall altertümlich an.«
    Das Zitat war wieder mit ›Erneuerer in der SPD‹ unterzeichnet. Ich las:
    Stürzen wir uns also in

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