Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
diese lasterhafte Welt, in der die größten Betrüger am weitesten vorwärts kommen. Da die Gesellschaft nur aus Schwindlern und deren Opfern besteht, so müssen wir selbstverständlich die Rollen der Ersteren wählen. Die Eigenliebe kommt dabei besser weg.
»Find ich überhaupt nicht altertümlich«, sagte ich. »Könnte gestern geschrieben worden sein. Dieser Marquis de Sade hatte einiges auf dem Kasten. Schade, dass man ihn für seine Wahrheiten jahrelang in der Bastille eingesperrt hat. Heutzutage wäre er der Guru einer erfolgreichen Sekte, würde in Talkshows auftreten, hätte eine eigene Fernsehshow mit dem Titel ›Schlagen – aber wie?‹ und würde Bestseller schreiben. Er ist zweihundert Jahre zu früh geboren – Pech für ihn.«
»Man kann sich sein Jahrhundert leider nicht aussuchen«, seufzte Jansen. »Wenn du zweihundert Jahre früher geboren worden wärest, Grappa, hätte dein Leben auf dem Scheiterhaufen ein jähes Ende gefunden.«
»Diesen Gag habe ich ja noch nie gehört«, gähnte ich.
»Sorry, Grappa«, entschuldigte er sich. »Du hättest auch das Zeug für die Jungfrau von Orléans gehabt. Ja, wirklich.«
»Was soll ich für dich tun?«
»Wir sollten die Staatsanwaltschaft informieren«, schlug Jansen vor. »Ruf Frau Cosel an.«
Ich tat es. Die Staatsanwältin überraschte mich mit der Mitteilung, dass ihr der Inhalt des Zettels bekannt sei. Man habe einen gleichen bei Mantheys Leiche gefunden. Es handele sich wieder um ein Zitat des Marquis de Sade. Diesmal aus seinem Werk Juliette .
»Und warum wurde das vor der Öffentlichkeit geheim gehalten?«, wollte ich wissen.
»Wir wollen keine Unruhe in der Bevölkerung«, gab sie an. »Die Täter scheinen unberechenbar zu sein. Die Angst vor verrückten Serientätern ist immer größer als die Angst vor Mördern mit einem nachvollziehbaren Motiv.«
»Der oder die Täter wollen aber, dass die Bekennerschreiben veröffentlicht werden ...«
»Das weiß ich jetzt auch, Frau Grappa. Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich Sie bitte, den Wortlaut des Briefes nicht zu publizieren?«
»Hat es nicht.«
Kein kleines Schwarzes
»Du musst was Besonderes anziehen«, sagte Tom Piny.
»Ich hab ein kleines Schwarzes für festliche Anlässe«, tat ich kund. »Dachtest du an so was?«
Er druckste. »Nicht direkt.«
Ich kapierte mal wieder nicht. TOP und ich saßen bei mir zu Hause zusammen, um unseren gemeinsamen Ausflug ins Reich der perversen Lüste zu besprechen.
»Das ist kein Schuppen, in den man einfach so reinspazieren kann«, meinte Piny. »Ins Chez Justine kommst du nur, wenn du eine Empfehlung hast oder wenn du von einem Mitglied eingeführt wirst.«
»Woher weißt du das alles?«, staunte ich. »Man könnte fast glauben, dass du dort verkehrst.«
»Nicht regelmäßig«, widersprach TOP schnell. »Ich habe einen Freund und den habe ich rumgekriegt, dass er mich empfiehlt. Niemand darf natürlich wissen, dass ich Journalist bin.«
»Und? Wie stellen wir es an?«
»Also, ich hab mir Folgendes ausgedacht ...« Er nahm einen Schluck Wein. »Du darfst aber nicht sauer sein ...«
»Warum bist du so komisch?«, fragte ich. »Erzähl endlich!«
»Es gibt dort eine Art Verein mit dem Namen ›Hart und zart‹. Ich habe mich dort zu einem ... na ja ... Schnupperkurs angemeldet.«
»Du bist echt clever«, staunte ich.
»Die Sache hat nur einen Haken ...«, brummte TOP.
»Ich bin ganz Ohr«, behauptete ich.
»Ich habe denen erzählt, dass ich eine Sklavin mitbringe und den anderen Gästen auf Wunsch zur Verfügung stelle.«
»Was?« Mir schwante Schreckliches.
»Natürlich hauen wir ab, bevor es dazu kommt«, versprach er. »Außerdem ist die Sache anonym. Alle Besucher und auch die Sklaven und Sklavinnen tragen Masken vor dem Gesicht.«
»Stopp!«, rief ich. »Habe ich das richtig verstanden, dass ich diese Sklavin sein soll?«
»Es gibt keine andere Möglichkeit für dich, in den Club zu kommen.«
»Nein, danke«, sagte ich. »Dann geh allein hin. Ich als Sklavin! Vergiss es!«
»Mein Gott, Grappa«, stöhnte er. »Stell dich nicht so an. Du hast schon Krankenschwester, Satanistin und 'ne Bekloppte gespielt, nur um an Informationen zu kommen. Jetzt mimst du halt mal eine Sklavin. Ich kann ja verstehen, dass so was deinem Naturell widerstrebt ...«
»Genau. Spiel du den Sklaven und ich die Herrin. Ich hab 'ne Freundin, die mir bestimmt das Hundehalsband von ihrem Harro leiht. Ich leine dich an, du läufst auf allen vieren und ich nehme
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