Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
morgen in einer ... Lokalzeitung nachzulesen.« Er sprach das Wort Lokalzeitung aus, als habe er eine giftige Kröte im Mund.
Ich wollte ihm einen drübergeben, doch Nagel kam mir zuvor: »Aber – ich habe doch keine Geheimnisse vor Frau Grappa. Wir haben den Bau einer Vier-Phasen-Rakete besprochen. Lage peilen, Strategie entwickeln, Waffen schärfen, Kampf gewinnen.«
»Hört sich gut an. Haben Sie die ›Erneuerer in der SPD‹ auch in Ihr Konzept eingeplant?«
»Wie meinen Sie das?«
»Diese Gruppe scheint eine ziemlich ultimative Strategie zu verfolgen. Erneuern heißt für die ermorden.«
»Ich glaube nicht an die Existenz dieser Leute.«
»Sie sind ziemlich gelassen«, erwiderte ich.
»Ich werde mein Wahlkampfkonzept demnächst auf einer Pressekonferenz vorstellen«, beeilte sich Nagel zu sagen. »Und jetzt kommen Sie bitte!«
Der Kandidat verabschiedete seine Berater und schob mich in sein Büro.
»Arrogante Typen«, schimpfte ich.
»Das Konzept, das meine Berater mir vorgeschlagen haben, ist intelligent und kreativ«, behauptete Nagel. »Es könnte fast von Ihnen sein, Frau Grappa.«
»Zu viel der Ehre, Herr Nagel«, widersprach ich.
»Nehmen Sie die beiden jedenfalls nicht so ernst. Und jetzt zu Ihren Fragen.«
Nagels Wunsch
»Hat Manthey gesagt, ob er danach noch einen Termin hatte?«, fragte ich.
Nagel überlegte. »Gesagt hat er nichts. Aber ich hatte das Gefühl, dass er noch irgendwohin wollte. Er hat zwischendurch einige Male auf die Uhr geguckt.«
»Ich wusste gar nicht, dass der die Uhr lesen konnte«, murmelte ich.
Nagel überhörte den Angriff auf die Intelligenz seines Parteigenossen, griff zu seiner Pfeife und versuchte sie anzustecken. Ich sah ein Streichholzbriefchen in seiner Hand und es kam mir bekannt vor.
»Privatclub Chez Justine «, las ich, nachdem ich es mir geschnappt hatte. »Gehören die Streichhölzer Ihnen?«
Nagel wirkte überrascht. »Nicht, dass ich wüsste«, meinte er dann. »Das ist doch dieser Sadomaso-Club am Sauerländer Weg, oder?«
Jetzt war ich überrascht. »Sie kennen den Laden?«
»Ich wäre ein schlechter Stadtdirektor, wenn ich die einschlägigen Etablissements in Bierstadt nicht kennen würde«, erklärte Nagel. »Der Club liegt außerhalb des Sperrbezirks, ist privat und die Besucher sind diskret. Da kann man nichts machen ... solange nicht gegen Gesetze verstoßen wird.«
»Und wie kommen die Streichhölzer auf Ihren Tisch?«
»An diesem Tisch haben in den letzten Monaten viele Leute Platz genommen. Ich halte alle meine Besprechungen hier ab. Manche Besucher rauchen, andere nicht. Manche haben Feuerzeuge, andere bevorzugen Streichhölzer. Irgendjemand wird sie liegen gelassen haben.«
»Vielleicht Manthey? Wissen Sie, ob er in diesem Privatclub verkehrt hat?«
Nagel zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, das interessiert mich auch nicht. Mir sind die sexuellen Vorlieben meiner Genossen egal. Jeder so, wie er's mag – natürlich nur, wenn die Strafgesetze nicht verletzt werden.«
»Sie haben also nie von so etwas gehört?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich seufzte. »Besonders hilfreich sind Sie nicht.«
»Glauben Sie mir, ich würde Ihnen gern helfen, wenn ich könnte. Die Sache mit Junghans und Manthey ist mehr als schädlich für mich und meinen Wahlkampf. Und die Partei leidet auch darunter. Ich wünschte, die beiden würden noch leben.«
Jakob Nagel sagte es so, dass ich versucht war, ihm zu glauben. Aber ein Rest Misstrauen blieb zurück, vermutlich, weil er ein Politiker war.
»Junghans und Manthey haben Sie bekämpft, wann immer sie Gelegenheit dazu hatten«, erinnerte ich den OB-Kanndidaten. »Manthey hat sich geweigert, Ihren Wahlkampf mit Parteigeldern zu unterstützen, obwohl Sie der Kandidat seiner Partei sind. Warum fühlte er solche Aggressionen gegen Sie?«
Nagel lächelte. »In Scheidungsverfahren würde man so was ›Unvereinbarkeit der Charaktere‹ nennen. Es war von Anfang an so: Wir sahen uns und wir konnten uns nicht ausstehen. Dabei ist es geblieben.«
»Und jetzt ist er tot«, stellte ich fest. »Das hat er nun davon. Vielleicht sind Sie ja der Mörder?«
»Ach, du lieber Himmel! Die CDU macht mich in ihrer Wahlkampfkampagne schon für alles Böse in dieser Stadt verantwortlich. Aber auf so einen Gedanken würden noch nicht mal die Christdemokraten kommen. Sie haben wirklich eine rege Fantasie, Frau Grappa.«
»Ich weiß ja, dass Sie es nicht gewesen sein können«, räumte ich ein. »Der Mann an der Pforte
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