Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
auch noch nicht am Ende meines Weges angelangt, dachte ich, die Vorstellung, sexy und verrucht zu sein, hatte mir gut gefallen.
»Auf jeden Fall muss ich rauskriegen, ob Junghans und Manthey wirklich Stammgäste im Chez Justine waren«, versachlichte ich das Thema. »Und ich muss wissen, welche Bierstädter Nasen da noch verkehren. Friedel Knaup hatte Streichhölzer des Clubs in seiner Jacke und auf Nagels Konferenztisch flogen auch welche herum. So viele Zufälle auf einmal gibt es nicht.«
»Dass Knaup der Sklave von Nagel ist, weiß ganz Bierstadt«, warf Jansen ein. »So, wie der immer vor ihm kriecht.«
»Sadomaso wäre es aber nur, wenn Nagel auch seinen Spaß dabei hätte – und wenn beide dabei sexuell erregt wären«, erklärte ich. »Und das bezweifle ich – zumindest was Nagel angeht.«
»Dann wünsche ich dir viel Freude in dem Club«, sagte Jansen. »Hol dir aber bloß keine neuen Anregungen für den Redaktionsalltag. Du schwingst die Peitsche schon genug.«
Kalter Abend
Der Sommer in diesem Jahr des Wahlkampfes strotzte eigentlich nur so von schönen, lauen Abenden, die dazu einluden, in Biergärten zu sitzen oder mit dem geöffneten Cabrio durch die Landschaft zu brettern. Dass ausgerechnet der Abend, an dem ich in knapper, zugiger Lederkleidung als Sexsklavin vorgeführt werden sollte, kalt, regnerisch und ungemütlich war, hätte mich von meinem Plan abbringen sollen.
Ich hatte Piny zu Hause abgeholt, saß in voller Montur am Steuer meines Autos. Die Maske hatte ich in der Handtasche gelassen, sie störte beim Gucken. Außerdem hätten wir in eine Polizeikontrolle geraten können und ich hatte keine Lust, als Bankräuberin festgenommen zu werden.
Mich fröstelte – ob vor Anspannung oder wegen der Außentemperaturen – ich wusste es nicht. Ich stellte die Autoheizung auf die Höchststufe und schaltete das Gebläse an.
»Wenn ich mir eine Blasenentzündung und 'ne Bronchitis hole, darfst du mich pflegen«, murrte ich. »Was machen die Sadomaso-Typen eigentlich im Winter? Die frieren sich doch den Arsch weg.«
»Richtige Sklaven sind abgehärtet«, glaubte Piny zu wissen. »Außerdem gibt's in dem Club beheizte Umkleidekabinen.«
»Du weißt wirklich erstaunlich gut Bescheid«, wunderte ich mich wieder.
»Mein Freund Lika ...«
»Hör mir auf mit dem Psychofritzen«, wehrte ich ab. »Ich wette, dass dieser Lika sexuell schräg drauf ist und seine Psychologie nur ein Deckmäntelchen, hinter dem sich Abgründe auftun. Stellst du mir den Mann eigentlich mal vor?«
»Klar«, grinste Piny. »Ich weiß doch, dass du auf Männer stehst, bei denen du Abgründe vermutest.«
»Quatsch«, widersprach ich. »Ich habe mir immer einen unkomplizierten Mann gewünscht, der handwerklich begabt ist, gut aussieht, wenig spricht und keine Widerworte gibt.«
»Mehr nicht?«
»Na ja«, räumte ich ein. »Er sollte schon mit dem Körperteil üppig ausgestattet sein, das Frauen im Allgemeinen viel Freude macht.«
»Dann wird dir Lika gefallen«, sagte er voraus. »Der lässt nichts anbrennen. Er kennt jeden Trick und hat mir manchen Tipp gegeben. Er ist ein Meister der Sexualmagie.«
»Ich dachte, du hast die Mädels früher flachgelegt und er hat nur analysiert«, erinnerte ich mich.
»Irgendwann kehrte sich das um. Ich heiratete und war aus dem Rennen. Also musste er allein weitermachen: flachlegen und danach analysieren. Manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Hat ihm aber gut gefallen. Vermutlich bis heute Abend.«
»Wieso?«
»Weil er dich heute Abend kennen lernen wird. Das wird seinem Leben eine völlig neue Wendung geben.«
»Er wird da sein?«
»Sicher.«
Ich trat aufs Gas, heftiger, als ich wollte, und blieb mit dem hohen Absatz des Stiefels zwischen Pedal und Boden hängen. Der Wagen schoss die Straße hinunter.
»Grappa, pass doch auf!«, schrie Piny. »Wir landen gleich im Graben.«
»Keine Panik.« Ich hatte den Wagen wieder unter Kontrolle. »Was hast du ihm über mich erzählt?«
»Nichts Besonderes«, wich TOP aus.
Ich fuhr rechts ran, stoppte den Wagen. »Also?«
»Mein Gott, Grappa!« Meine Frage war ihm sichtlich unangenehm.
»Ich höre!«
»Er weiß nicht, dass du Journalistin bist. Er denkt, dass du ... Na ja.«
»Was?«
»Dass du eine Frau bist, die einen neuen Lord sucht.«
»Einen Lord?«
»Heute Abend ist Sklavenmarkt. Die Lords bringen ihre Sklavinnen mit und versteigern sie.«
»Versteigern?«
»Oder tauschen.«
»Tauschen?«
»Versteh doch, Grappa!«
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