Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
gewesen.«
»Schade.«
»Tut mir Leid, dass ich Ihnen Ihre Story verderbe. Jedenfalls scheint ja festzustehen, dass dieser Lika meine drei Genossen getötet hat. Zumindest stand es so in Ihrer Zeitung.«
»Ja – diesbezüglich glaube ich seinem Geständnis. Ich bin aber davon überzeugt, dass er einen Auftraggeber für die Morde hatte – und dass er diesem Mann zum Opfer gefallen ist.«
»Und? Glauben Sie noch immer, dass ich der Drahtzieher bin?«
»Nein. Sie haben ein prächtiges Alibi – Sie waren mit Gregor Gottwald zusammen. Falls Gottwald dies bestätigt.«
»Glauben Sie wirklich, ich würde Ihnen diese Geschichte auftischen, ohne mich vorher bei Gottwald abgesichert zu haben? Abgesehen davon, dass es die Wahrheit ist.«
»Nein«, räumte ich ein. »Sie sind ja nicht dumm. Und was ist, wenn Gottwald lügt? Wenn er Ihnen ein Alibi schenkt?«
»Dann wären wir wieder am Anfang, nicht wahr?« Nagel stach das Messer in den Lammrücken. Roter Saft floss auf den Teller und färbte die Kartöffelchen rosa. Ich schüttelte mich. Ich konnte Fleisch nicht ausstehen, das nicht vernünftig durchgebraten war.
Kein Thriller
Ich hatte mir den Namen des Restaurants gemerkt, in dem Nagel und Gottwald den Mittwochabend verbracht hatten. Wieder in der Redaktion begann ich mit meinen Ermittlungen, erfragte die Telefonnummer des Etablissements.
Ich gab mich als Polizeibeamtin aus, die in einer Unfallfluchtsache ermitteln würde. Der Besitzer des Lokals schöpfte keinen Verdacht, er bestätigte, dass die beiden Männer zunächst gegessen und sich danach ins Kaminzimmer zu einer Besprechung unter vier Augen zurückgezogen hätten.
Gegen 22.30 Uhr hätte der ältere von beiden die Rechnung bezahlt und man habe sich verabschiedet.
Ich schaute auf die Landkarte. Das Hotel, in dem das Restaurant untergebracht war, war genauso weit von Bierstadt entfernt wie Likas Landhaus – etwa 100 km –, allerdings in anderer Richtung. Wenn Nagel also eine halbe Stunde vor Mitternacht das Rathaus betreten hatte, konnte er Lika unmöglich umgebracht haben. Nagel hätte 200 km in einer guten Stunde schaffen müssen und das war völlig unmöglich.
Frustriert stierte ich vor mich hin. Ich war auf einem verdammten Holzweg. Das Klingeln des Telefons erschreckte mich. Es war Tom Piny, der sich nach meinen Recherchen erkundigen wollte.
»Klasse gemacht, Grappa«, meinte TOP, als ich ihm von meiner genialen Fragestunde berichtete.
»Wir müssen den Tatsachen ins Gesicht sehen«, seufzte ich. »Nagel ist unschuldig. Oder zu clever für uns.«
»Keep cool«, riet er mir. »Entspann dich und löse dich von deinen verkrampften Vorstellungen.«
»Ich will aber wissen, wer's getan hat!«, nörgelte ich.
»Arme Grappa!«, sagte er mitleidig. »Ist echt schlimm, dass du deinen Willen nicht kriegst, nicht wahr?«
»Allerdings.«
»Grappa-Baby, das Leben ist nun mal kein Thriller. Zumindest nicht in Bierstadt. Lass uns die Stichwahl überstehen und dann legen wir die Sache zu den Akten. Die Polizei soll rauskriegen, wer Lika umgebracht hat. Was kümmert's uns?«
Knapp daneben
»Jetzt geht's los!« Überall im Rathaus schallte einem dieser dumme Singsang entgegen. Es war der Sonntag der Stichwahl. Gerade hatten die Wahllokale geschlossen und die Anhänger von SPD und CDU, aber auch politisch interessierte Bürger und vor allen Dingen viele Journalisten hatten sich in der großen Bürgerhalle versammelt.
In den Nischen der Halle war Licht für die Kameras gesetzt worden, die Logos verschiedener Fernsehsender prangten auf Tafeln, die als Hintergrund für die Interviews mit dem Sieger und dem Verlierer dienen würden.
Gerry Smart betrat die Halle, hübsch flankiert von ihren Jungs, die Pose war wieder siegessicher, doch nicht ganz so wie beim ersten Mal. Der Wahlkampf hatte Spuren im Gesicht der CDU-Frau hinterlassen – sie ähnelte verblüffend dem von ihr erfundenen virtuellen Sumpfhuhn ... nach einer erfolgreich ausgeführten Attacke per Mausklick.
Im Foyer hatte das Wahlamt der Stadt eine riesige Leinwand aufgezogen, auf die die neuesten Ergebnisse projiziert wurden, in allen Ecken standen Fernsehmonitore.
»Gleich kommt der WDR mit der Prognose raus«, sagte ich und schaute nervös auf die Uhr. Es war kurz nach sechs.
Wenige Sekunden später war es so weit: Nagel lag mit 50,2 Prozent im Rennen, Frau Smart mit 49,8. Erleichterung bei der SPD, Spott bei den anderen. Der WDR galt als SPD-freundlich und das machte den Sender bei den
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