Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
er Lika wirklich umgebracht hat?«
Abschied und Rückkehr
In meiner Wohnung angekommen, überraschte mich Nazmi mit der Bitte, ihm bei seiner Flucht nach Bosnien zu helfen.
»Wie willst du über die Grenze kommen?«, fragte ich. »Du wirst von Interpol gesucht – wegen Mordes!«
»Ich habe einen Freund in meinem Alter«, berichtete er. »Er überlässt mir seinen Pass. So komme ich über die Grenzen. Zuerst nach Österreich, dann Italien und per Schiff nach Bosnien.«
»Toller Plan«, stellte ich fest. Ich fror ein wenig. »Und wozu brauchst du meine Unterstützung?«
»Du musst den Pass für mich abholen – ich will die Wohnung nicht zu früh verlassen. Und ... ich brauche etwas Geld. Der Freund gibt mir sein Auto – ich soll es bei seinen Leuten in Sarajewo abgeben.«
»Dann bist du also entschlossen?«
»Ja. Verstehst du mich?«
»Ja. Hier wartet ein Prozess wegen Brandstiftung auf dich. Von den Ermittlungen wegen Mordes ganz zu schweigen. Ich kann verstehen, dass du genug hast von diesem Land.«
»Dann hilfst du mir?«
»Sag mir, was ich machen soll.«
Wir besprachen die Sache in allen Einzelheiten. Am nächsten Morgen würde ich seinen Freund aufsuchen, Geld von meiner Bank abholen und mich von ihm verabschieden. So einfach war das.
Wir lagen eng beisammen in dieser Nacht, doch mehr geschah nicht. Im Morgengrauen sah ich sein Gesicht, es war entspannt und sein Mund schien zu lächeln. Er hat das Schlimmste überstanden, dachte ich, es ist gut, dass er nach Hause fährt.
Ich dachte an unsere Begegnungen. Wenn wir miteinander geschlafen hatten, war bei mir für einen Augenblick die Illusion einer Einheit entstanden, doch eigentlich war er mir immer etwas fremd geblieben.
Ich erledigte die Wege und kehrte in die Wohnung zurück.
Nazmi startete drei Stunden später. Ich wünschte ihm viel Glück, er versprach, sich zu melden, sobald er heil angekommen war. Dann setzte er sich in den Kombi. Ein kurzer Blick, ein Gruß mit der Hand und fort war er.
Die Angst des Kandidaten
»Wenn Sie wissen wollen, wo ich am Mittwochabend war, dann sollten Sie mich direkt ansprechen«, sagte OB-Kandidat Jakob Nagel. »Ich mag es nicht, wenn meine Mitarbeiter ausgehorcht werden.«
Ich schluckte. Der Anruf auf meinem Handy hatte mich kalt erwischt. Erst der Abschied von meinem Lover und jetzt das. Der Tag schien ein voller Erfolg zu werden. »Ich wollte Sie damit nicht belästigen«, entgegnete ich lahm, »jeder weiß, dass Sie voll im Stress sind.«
»Haben Sie Lust, mit mir Mittag zu essen?«
»Sicher«, antwortete ich verblüfft. »Gibt's einen besonderen Anlass – außer dem, dass Sie sich über mich geärgert haben?«
»Ich bin davon überzeugt, dass wir uns angeregt unterhalten werden. Also – um halb eins?«
Er schlug ein italienisches Restaurant vor, ich willigte ein. Eine halbe Stunde später tauchte ich in der Redaktion auf.
»Was ist los?«, fragte Jansen mit großen Augen, als er mich sah.
»Was meinst du?«, knurrte ich.
»Grappa in Strumpfhosen, Pumps und Kostüm. Gehst du zu einer Beerdigung?«
»Könnte man so sagen«, meinte ich knapp und zog mich in mein Zimmer zurück.
Ich grübelte eine Weile vor mich hin und kam zu dem Ergebnis, dass das Treffen mit Nagel eine einmalige Chance für mich sein würde. Er sollte erfahren, dass ich ihn für den Auftraggeber der Morde und Likas Mörder hielt. Was konnte mir schon passieren?
Ich nahm die neuesten Zeitungen und studierte sie. Ein überregionales Blatt hatte eine letzte Umfrage vor der Stichwahl in Auftrag gegeben – danach lag Nagel knapp vor Smart. Vor sechs Wochen hatte das noch ganz anders ausgesehen.
Inzwischen vermuteten die Wähler bei Nagel wohl mehr Kompetenz bezüglich der Bewältigung der Arbeitsplatzprobleme und attestierten ihm, frei von rotem Filz zu sein. Sein Angebot, seine Finanzen offen zu legen, hatte anscheinend Eindruck gemacht. Auch seine Distanz zur Partei hatte ihm offenbar nicht geschadet. Nur seine Sympathiewerte ließen noch zu wünschen übrig. Weit über die Hälfte der Befragten hielt ihn für »kalt«, »gehemmt« und »verkrampft«.
Gerry Smarts Sympathiewerte waren in den letzten Wochen geradezu abgestürzt. Während sie zum Beginn des Wahlkampfes als »offen«, »ehrlich« und »freundlich« galt, wurde sie jetzt für »rücksichtslos« und »großspurig« gehalten. Kein Wunder, denn beim Straßenwahlkampf hatte sich die CDU-Gerlinde manches Mal danebenbenommen, in Diskussionen war sie Fragestellern
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