Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
harsch über den Mund gefahren und sie war immer wieder bei Sachfragen gnadenlos eingebrochen.
Gerlinde Smart hatte Angst bekommen. Sie hatte bemerkt, dass dieses Spiel um die Macht ernster war, als sie es für möglich gehalten hatte – und dass es für sie auch tödlich ausgehen konnte. Die CDU-Kandidatin ließ sich kaum noch in der Öffentlichkeit sehen, sagte Termine ab und legte sich mit ihrer Partei an.
Nagel dagegen bewegte sich immer sicherer und lockerer bei seinen öffentlichen Auftritten, stellte sich auf sein Publikum ein und arbeitete daran, einfache und freundliche Sätze zu fabrizieren, mit denen jeder Bierstädter etwas anfangen konnte.
Während Smart von Polizisten und ihren Bodyguards abgeschirmt wurde, begann Nagel das berühmte Bad in der Menge zu genießen. Er schien nicht die geringste Angst vor einem Attentat zu haben – aber er wusste ja schließlich, dass ihm nichts passieren würde, weil er der Mörder war.
Meine Uhr sagte mir, dass ich losmusste. Ich teilte Peter Jansen mit, dass ich mich mit Nagel treffen würde.
»Ich werde ihm sagen, dass ich ihn für den Mörder von Lika und für den Auftraggeber der anderen Taten halte«, sagte ich. »Mal gucken, wie er's auffasst.«
»Ach, Grappa!« Jansens Stimme klang resigniert. »Du und deine komische Art. Immer mit dem Kopf durch die Wand, immer volle Pulle – ohne nachzudenken. Nicht zu fassen!«
»Ich habe über die Sache sehr gründlich nachgedacht«, widersprach ich. »Deshalb bin ich ja zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur diese eine Möglichkeit gibt.«
»Der Mann wird aller Wahrscheinlichkeit nach unser nächster OB. Und du hältst ihn für einen kaltblütigen Mörder. Ich dachte immer, du hättest was für ihn übrig?«
»Hab ich auch«, gab ich zu. »Ich mag Leute, die ihre Ziele erreichen wollen. Wo steht geschrieben, dass man Mörder nicht sympathisch finden darf? Er war's – und basta.«
»Kannst du das auch beweisen?«
»Das werde ich wissen, wenn ich mit Nagel gesprochen habe«, behauptete ich.
»Also keine Fakten, sondern nur Eindrücke. Mach, was du willst, Grappa! Solange du unsere Zeitung nicht für deine verrückten Ideen missbrauchst.«
»Keine Sorge«, sagte ich, frustriert über den Zuspruch meines Chefs, »es müssen nicht immer alle Informationen in der Zeitung stehen.«
»Das sind ja ganz neue Töne!«
»Der Satz stammt nicht von mir«, gab ich zu, »unser alter Oberbürgermeister hat ihn mir mal gesagt. Und ich komme langsam dahinter, wie Recht er hat.«
Rosa Kartöffelchen
Nagel hatte einen Tisch im hinteren Teil des Raumes reserviert – genau das Richtige für ein Gespräch über Mord und Mörder. Ich kannte das Restaurant, es war gut und teuer, manchen netten und weniger netten Abend hatte ich hier schon verbracht.
»Also – warum horchen Sie meinen Fahrer aus?«, eröffnete Nagel die Partie.
»Weil ich wissen wollte, wo Sie am Mittwochabend waren.«
»Warum gerade Mittwoch?«
»An diesem Tag ist ein Mord geschehen.«
»Ich weiß.«
Der Kellner stand vor uns und fragte, ob wir einen Aperitif wünschten.
»Einen Prosecco für die Dame, für mich einen trockenen Sherry«, sagte Nagel, ohne mich gefragt zu haben. Das ›Bitte‹ schenkte er sich – es schien ein faktenorientiertes Mittagessen zu werden.
»Kannten Sie Dr. Lika – und wenn ja, wie gut?« Jetzt war ich dran.
»Natürlich kannten wir uns. Lika gehörte zur Bierstädter Prominenz. Ein unangenehmer, aufdringlicher Mensch. Niemand, mit dem ich befreundet sein wollte.«
»Er war also keiner Ihrer Freunde?«
»Liebe Frau Grappa«, sagte Nagel hart, »ich kann es mir in meiner Position nicht leisten, mit jemandem befreundet zu sein, der einen Sadomaso-Club betreibt.«
»Ihre Genossen Junghans, Manthey und Knaup sahen das aber viel lockerer«, stellte ich fest. Der Prosecco wurde vor mich gestellt, ich nahm einen Schluck.
»Was habe ich mit der Freizeitgestaltung meiner Parteigenossen zu tun?«
»Natürlich nichts«, gab ich zu, »zumal den dreien das auch nicht gut bekommen ist. Sind Sie eigentlich froh, dass das Trio nicht mehr da ist?«
»Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass Mord in meiner Wahlkampfstrategie nicht eingeplant ist. Aber ich gebe zu, dass ich den Verlust gut verschmerzen kann.«
»Schön, dass Sie so ehrlich sind«, lächelte ich. »Und jetzt will ich wissen, wo Sie am Mittwochabend waren.«
»Sie glauben, dass ich diesen Lika erschossen habe, nicht wahr?«
»Sie haben Ihrem Fahrer am Mittwoch
Weitere Kostenlose Bücher