Grappa 11 - Grappa und das große Rennen
schallten ihnen entgegen.
»Gottwald hat Lika ermordet!« Ich hatte Tom Piny am Arm gepackt, meine Stimme war heiser vor Verzweiflung.
»Grappa! Entspann dich!«
Gottwald und Nagel waren unten angelangt, umringt von Weggefährten und Journalisten, Blitzlichter grellten, Kameras wurden angeworfen.
Ich grub mich durch die Menge. Ich wusste von Gottwalds Angst um diese Stadt, er hatte mir selbst erzählt, dass er sein Lebenswerk in Gefahr sah und eine Erneuerung der SPD für dringend notwendig hielt. Er hatte die Sache schließlich selbst in die Hand genommen – und war ausgesprochen erfolgreich gewesen.
»Wir haben es geschafft!«, hörte ich Gottwald durch ein Mikrofon sagen. »Die Wählerinnen und Wähler haben verhindert, dass diese Stadt Beute skrupelloser Selbstbediener ohne jede soziale Verantwortung wird. Dafür möchte ich jedem Einzelnen persönlich danken. Jakob Nagel wird ein guter Oberbürgermeister werden.«
Tränen liefen über Gottwalds faltige Wangen, als er Nagel väterlich in den Arm nahm. Die Journalisten bemühten sich, die rührende Szene für die Nachwelt festzuhalten.
Ich wandte mich ab. Heute Abend würde ich Gottwald nicht eines Mordes bezichtigen können. Ich fühlte mich so verdammt allein in dieser pulsierenden, gut gelaunten und fröhlichen Menschenmenge.
Der wahre Sieger
Ich machte meine Arbeit so gut es ging. Jansen war in der Redaktion geblieben, kannte die Ergebnisse aber schon durchs regionale Fernsehen und Internet. Auch er war erleichtert, dass uns Gerry Smart erspart geblieben war. Bierstadt wurde nicht ins Land der Sumpfhühner geschickt, Nagel war mit 52,2 Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister von Bierstadt gewählt worden.
Jansen kommentierte und suchte die Fotos aus, ich beschrieb den Abend im Rathaus, der Volontär steuerte kleine Geschichten und Begebenheiten bei, die er in Sälen, auf Treppen und in Gesprächen gesammelt hatte.
»So, das wäre geschafft!«, sagte Peter Jansen im Brustton der Erleichterung. »Das Rennen ist entschieden – und das ist gut so.«
Er räumte seine Sachen zusammen. »Noch ein Absacker, Grappa?«
»Gern«, stimmte ich zu. »Den nehmen wir aber im Rathaus. Da ist noch jede Menge Stimmung.«
Jansen sagte nicht nein.
Der Weg von der Redaktion zum Rathaus war bequem zu Fuß zu schaffen.
»Ich weiß jetzt, wer Lika ermordet hat«, erzählte ich beiläufig.
»Ach ja?«, kam es zurück.
»Willst du's wirklich wissen?«, vergewisserte ich mich.
»Ich bin ganz Ohr, Grappa-Baby!«
»Gregor Gottwald hat es getan.«
»Ja, klar«, grinste Jansen.
»Er wollte die SPD erneuern, weil sein Lebenswerk nicht zerstört werden sollte. Er hat Lika mit den Dokumenten aus dem Bosnienkrieg erpresst und dazu gekriegt, dass er Junghans, Manthey und Knaup umbringt.«
»Klingt ziemlich logisch«, meinte mein Chef.
»Dann musste Gottwald natürlich Lika loswerden. Er schickte die Unterlagen an Radic, weil er hoffte, dass Nazmi den Job erledigen würde. Doch Lika drehte den Spieß um. Er wollte Gottwald verraten. Kannst du mir bis hierhin folgen?«
»Überhaupt kein Problem«, sagte Jansen. »Erzähl ruhig weiter. Ist echt spannend.«
»Gottwald konnte also nicht auf Radic warten. Er fuhr mit Nagel abends fort, lieh sich in der Nacht dessen Dienstwagen und erledigte Lika. Vorher ließ er ihn noch das Geständnis schreiben. Genial, nicht?«
»Stimmt«, nickte Jansen.
»Und – was machen wir daraus?«
»Wie meinst du das?«, fragte er irritiert.
»Wann kann ich die Story schreiben?«
Jansen stoppte, schaute mich an und prustete los.
»Du spinnst, Grappa!«, lachte er.
»Verdammt!«, schrie ich erbost. »Ich meine es ernst. Gottwald ist der Auftraggeber der Morde und er höchstpersönlich hat Lika getötet.«
»Und das willst du schreiben?«
»Ja, klar, was denn sonst? Meinst du, ich komponiere eine Oper daraus?«
»Wäre vielleicht nicht schlecht.« Jansen lachte noch immer. »Dann aber bitte auf Italienisch. Mit viel Dramatik und Gefühl.«
Wir betraten die Bürgerhalle. Hier war tatsächlich noch einiges los – die hartgesottenen Genossen versuchten, die Zapfhähne zum Versiegen zu bringen.
»Ach, Grappa!« Jansen legte den Arm um meine Schultern. »Wenn es dich nicht gäbe, müsste man dich erfinden. Du bringst richtig Farbe in mein ödes Leben. Und jetzt muss ich dir noch ein Geständnis machen.«
Ich blickte ihn fragend an.
»Ich habe mir schon vor Monaten die Sumpfhuhn-Jagd auf meinen PC runterladen lassen.«
»Und das sagst
Weitere Kostenlose Bücher