Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
ich. »Aber mit einem Internetanschluss und einer guten Suchmaschine ist das alles kein Problem mehr. Früher musste ich wegen solcher Sachen stundenlang in Bibliotheken herumhängen. Das hat Zeit und Nerven gekostet.«
Nikoll war mir in mein Zimmer gefolgt; sie sah aus, als wollte sie mit mir über etwas anderes reden als Bibelverse.
»Wir läuft es denn mit dir und Kosmo?«, startete ich einen Versuch.
»Ich weiß nicht recht«, sagte Blondie.
»Was weißt du nicht?«
»Er ist so ... zurückhaltend. Ich glaube, er findet mich nicht attraktiv, als Frau, meine ich.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er macht mir keine wirklich ernsthaften Avancen.«
»Er ist halt nicht so plump wie andere Männer«, sagte ich vorsichtig.
»Meinst du? Ich glaube, er hat trotz seines guten Aussehens noch nicht viel Erfahrung mit Frauen. Er wirkt ziemlich schüchtern.«
Jetzt musste ich aber schlucken! Kosmo hatte ihr anscheinend noch kein Wort von seinem Vorleben als Callboy erzählt, und das war eine Zeitbombe, die da tickte.
»Warte erst mal ab«, riet ich. »Das wird schon noch.« Es klang eher lahm.
»Hat er dir was über mich erzählt? Gesagt, wie er mich findet?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Er hatte aber auch noch keine Gelegenheit dazu, denn ich bin ja ständig unterwegs.«
»Ist eigentlich auch egal. Ich bin ja hier, um was zu lernen. Und nicht, um einen Lover zu finden. Okay, ich muss jetzt los.«
Ich sah ihr nach: Sie strahlte das Unglück verliebter Frauen aus, die unsicher sind, ob ihre Zuneigung erwidert wird – ein Gefühl, das mir nicht fremd war. Die Angst, zurückgewiesen werden zu können, setzt sich in jeder Pore der Haut fest und macht wechselweise depressiv und aggressiv.
Ich nahm mir vor, mit Kosmo unter vier Augen zu reden, aber nicht mehr heute. Ich hatte noch hundert Zeilen zu schreiben, und die musste ich bald hinter mich bringen.
Eine Stunde später jagte ich das Rechtschreibprogramm über mein Werk.
GEHEIMNISVOLLE FRAU LUD ZU LETZTEM ABENDMAHL EIN – IST SIE DIE TODSÜNDENMÖRDERIN?
Ja, die Überschrift gefiel mir.
O. O. versteht die Welt nicht mehr. »Alles war ganz normal«, verriet der Eventmanager unserer Zeitung. »Die Frau mietete telefonisch die Villa, überwies das Geld, bestellte ein Menü für sieben Personen und holte den Schlüssel ab. Wie konnte ich ahnen, dass ich das Haus an eine Mörderin vermiete?«
Gesehen hat O. die geheimnisvolle Frau nicht – so behauptet er. Er übergab unserer Zeitung aber exklusiv die Liste der Gäste, die das Essen nicht überlebten. Darunter auch Mandy Turner (Foto rechts), eine Engländerin, die vor zwanzig Jahren in Bierstadt als Au-pair-Mädchen gearbeitet hat.
Der Mörder – oder die Mörderin? – hat ihr die Todsünde INVIDIA (Hass, Missgunst) zugeordnet. Was hat Mandy Turner Schlimmes getan, dass sie dafür sterben musste?
Diese Frage stellt sich natürlich auch für die anderen Toten.
Von zwei weiteren Opfern ist bekannt, was ihnen vorgeworfen wird: Reporter Johannes Schadewald wird der GULA (Maßlosigkeit) bezichtigt und Dr. Hartmut Freudenreich soll sich der SUPERBIA (Hochmut) schuldig gemacht haben.
Leider tun sich die Ermittlungsbehörden mit der schnellen Klärung des siebenfachen Mordes schwer. Wie lange noch darf der offenbar religiös verwirrte Täter Fotos verschicken und sich über die untauglichen Versuche von Polizei und Staatsanwaltschaft lustig machen?
Jansen las den Artikel gegen, segnete ihn ab und sorgte für das Layout.
Ich ging nach draußen. Es war kurz nach acht. Mit Gewissensbissen dachte ich an Eberhard, der den ganzen Tag allein in der Wohnung gewesen war – eigentlich kein Leben für einen Kater, der unternehmungslustig und wild war. Ich hörte Schritte hinter mir, es war Nikoll.
»Noch Lust auf einen Wein?«, fragte ich.
»Nee, ich treffe mich mit Kosmo«, strahlte sie.
Ein Mann trat auf uns zu. »Hallo, Kleines«, sagte er und küsste Blondie auf die Wange. »Wie war dein Tag? Hast du den Todsündenmörder gefangen?«
Nikoll wurde verlegen. »Das ist Frau Grappa«, sagte sie zu dem Mann. »Sie schreibt die Artikel und leitet die Recherchen, ich helfe ihr nur. Mein Onkel, Herr Mahler.«
Er reichte mir die Hand.
»Nikoll hat mir viel über Sie erzählt«, sagte der Onkel.
»Hoffentlich nur Gutes«, murmelte ich.
»Nein«, lächelte er und sah mir direkt in die Augen.
Nachbarbesuch
Das Glück war mir hold, in der Bäckerei von Anneliese Scholz brannte noch Licht. Ich klopfte an die
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