Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
Strafprozessen begutachtet?«
»Ja, sogar sehr viele. Er war ein ziemlich harter Hund. Aber was wirklich Spektakuläres habe ich nicht finden können.«
Ich rief Jansen an und bat ihn um eine Lagebesprechung. Wenig später saßen Big Mäc, Nikoll, Jansen und ich in der Kantine – vor uns eine große Kanne Kaffee.
Es war klar, dass wir uns Odysseus Odenski noch mal vornehmen mussten. Er hatte die geheimnisvolle Michaela Engel gesehen und es nicht zugeben wollen. Das musste ja etwas zu bedeuten haben.
»Gib Staatsanwalt Guardini den Tipp«, schlug Jansen vor. »Der kann sich Odenski noch mal vorknöpfen.«
»Nein«, sagte ich. »Das mache ich lieber selbst.«
»Grappa muss ihn so richtig weich gekocht haben«, schwärmte Big Mäc von meinen Recherchequalitäten. »Der wusste ja nicht mehr, ob er Männchen oder Weibchen war. Schöne Sache, das!«
»Bei der Inquisition wärst du der Brüller gewesen«, grinste Jansen.
»Als Hexe?«
»Nee, als Interviewerin.«
»Ihr spinnt wohl! Ich hab mit der Kirche nicht mehr viel am Hut«, sagte ich. »Ich bin in eine Nonnenschule gegangen – und das hat meinen Bedarf an Katholizismus fürs Leben gedeckt.«
»Arme Grappa! Aber meckere nicht! Du kennst dich immerhin mit dem Kirchenkram aus«, beruhigte mich mein Chef.
»Wir müssen trotzdem mit der Story weiterkommen!«, forderte ich. »Nikoll, hast du einen Vorschlag?«
»Mandy Turner. An die müssen wir heran«, meinte die Praktikantin. »Irgendeiner wird ja noch leben, der weiß, was sie genau in Bierstadt getrieben hat.« Sie bot an, die Bierstädter Vergangenheit der Frau abzuchecken.
Um den Tag perfekter zu machen, betrat jetzt Traumprinz Kosmo die Kantine. Er steuerte unseren Tisch an, in der Hand einen der bekannten Umschläge. Nikoll schenkte er einen seiner unbeschreiblich hinreißenden Blicke, sie schlug die Augen nieder.
Jansen und ich guckten uns an, wir grinsten.
»Post für dich, Grappa«, sagte Kosmo, ohne die Augen von Nikoll zu wenden. »Dein Massenmörder lässt grüßen.«
»Wenn der Mörder der Reihenfolge der Liste folgt, dann müsste hier Mandy Turner drin sein. Wettet jemand dagegen?«, fragte ich in die Runde.
Niemand wollte auf die Wette eingehen. Auf dem Foto war eine knapp 40-jährige Frau zu sehen. Ihre Brille war auf die Nasenspitze gerutscht, sie hatte die Augen geschlossen und die obere Zahnreihe war zu sehen. Quer über dem Bild stand: INVIDIA .
»Das ist bestimmt die Turner«, meinte ich. »Die sieht so englisch aus.«
»INVIDIA? Was heißt denn das nun wieder?«, fragte Jansen. »Grappa?«
»Neid«, erklärte ich. »Aber auch Eifersucht oder Missgunst. Hier ist der Text dazu. Hört mal! Siehe, sie trägt in sich Böses; sie geht schwanger mit Unheil, gebiert Falschheit. Sie hat eine Grube gegraben und hat sie ausgehöhlt, doch ist sie in die Falle gefallen, die sie gemacht hat. Ihr Unheil kehrt auf ihr Haupt zurück, und auf ihren Scheitel herab kommt ihre Gewalttat. «
»Sorry, ich muss wieder los«, sagte Kosmo.
» Ciao, bello «, verabschiedete ich ihn.
Der Traumprinz schlenderte davon, nicht ohne Nikoll noch einmal anzulächeln.
»Schon wieder ein Psalm?«, fragte Big Mäc.
»Scheint so. Werde ihn gleich heraussuchen. Es gibt hundertfünfzig von den Dingern. Schöne Sprüche – ich gewöhne mich langsam daran. Besser als alles andere, was ich in den letzten Monaten gelesen habe.«
»Für deinen Literaturgeschmack können wir ja nichts«, meinte Jansen.
»Ich lese wenigstens noch.« Ich stand auf. »Ich gehe wieder an die Arbeit.«
Nikoll erhob sich ebenfalls. Big Mäc fielen die Augen aus dem Kopf, als sie sich reckte und das dünne T-Shirt über ihrem Busen spannte.
»Für dich hab ich auch eine Sünde in petto«, raunte ich dem Fotografen zu, als sich Nikoll einige Meter entfernt hatte.
»Und die wäre?«, fragte er.
»VOLUPTAS – das heißt Geilheit. Aber keine Angst: Sie gehört nicht zu den Todsünden. Du kannst also ruhig so weitermachen!«
Kosmo schweigt
Brinkhoff bestätigte mir, dass die Tote auf dem Foto Mandy Turner war. Ich hatte das Foto eingescannt und ihm per E-Mail zugeschickt.
In meinem Zimmer pappte ich das Konterfei der Engländerin an die Wand, schrieb mit einem dicken Filzstift INVIDIA darunter und warf den PC an.
Der Text zu der toten Engländerin entstammte dem 7. Psalm, der Mörder hatte ihn leicht variiert, denn der Angesprochene war im Original ein Er und keine Sie.
»Der Mörder macht ein echtes Psalter-Quiz mit uns«, murmelte
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