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Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden

Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden

Titel: Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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wieder klick, das brennende Kind im Sucher, dann wie es auf den Boden fällt und stirbt, und immer weiter klick, klick, klick.
    Wie ich mich wohl verhalten hätte in jener Nacht vor zwanzig Jahren? Der Gedanke ließ mich auch beim Frühstück nicht los. Damals war ich eine ehrgeizige junge Reporterin gewesen, die sich gegen die journalistische Konkurrenz hatte durchsetzen wollen, um nicht auf die Kulturschiene geschoben zu werden – ein beliebtes Frauenabstellgleis.
    »Dein gewesenes Herrchen war ein eiskalter Typ«, sagte ich zu meinem Kater. »Wie hast du es nur bei dem ausgehalten?«
    Das Tier legte den Kopf in meine Hand und ließ sich streicheln.
    »Heißt das, dass du froh bist, bei mir zu sein?«
    Eberhard schielte auf das letzte Stück Käse, das noch auf dem Holzbrett lag.
    »Gouda mittelalt. Ist okay«, nickte ich. »Du darfst.«
    Der Kater zog den Käse mit der weiß getupften Pfote zu sich heran, schnüffelte, rümpfte das rosa Näschen, zog den Brocken vom Tisch, schleppte ihn in seine Ecke und machte sich darüber her.
    Das Verlagshaus kam mir an diesem Tag merkwürdig fremd vor, als ich es betrat. Warum kam ich eigentlich jeden Tag hierher? Was war denn das für ein Beruf, in dem nichts Greifbares produziert wurde, wo Informationen gesammelt wurden, die ich in meinem Kopf veränderte, verfremdete, mit eigenen Vorurteilen und Fantasien anreicherte, um sie dann publikumswirksam wieder auszuspucken?
    Was unterschied einen verantwortungsvollen Journalisten eigentlich von einem Kollegen wie Schadewald? War es nur der Grad der Zurückhaltung, der geringere Biss, das kleinere Engagement – dafür mehr Nachdenklichkeit und ständiges Hinterfragen?
    Ich passierte die Pförtnerloge, erwiderte besonders freundlich den Morgengruß des Mannes, der dort seit vielen Jahren saß, warf einen Blick in die Postverteilungsstelle, in der Kosmo arbeitete; sie war verwaist.
    Armer Traumprinz, dachte ich, jetzt hat dich deine Vergangenheit auch eingeholt, ähnlich wie sie es bei Schadewald getan hatte, nur dass bei Letzterem das Ergebnis so endgültig war.
    Um zu meinem Büro zu gelangen, musste ich durch das Großraumbüro. Die meisten Schreibtische waren noch unbesetzt; an der Art der Schreibtischdekoration konnte ich erkennen, wer hier wo saß und für welches Ressort die Kollegen zuständig waren.
    Der Sportreporter hatte den Siegerpokal eines Trabrennens für Medienleute direkt neben dem Bierglas mit dem Logo des Deutschen Meisters Borussia Dortmund platziert. Der Wirtschaftsredakteur legte die rosafarbene Ausgabe der Financial Times betont lässig neben das Telefon, dem vergoldeten Brieföffner sah man an, dass er die Weihnachtsgabe eines Stahlkonzerns für angenehme Berichterstattung war, und das Foto seiner neuesten Schnalle steckte in einem gläsernen Rahmen, das Geschenk einer Internetfirma, die schon längst wieder vom Neuen Markt verschwunden war.
    Andere Schreibtische wirkten weniger individuell, eher chaotisch, wenn ich von dem Kalender der Industriegewerkschaft Metall auf dem Tisch des sozial engagierten Volontärs und dem versteinerten Lebkuchenherzen mit der Inschrift Bleib mir treu auf dem Platz der Sekretärin einmal absah.
    Ach ja, und da war ja noch der Schreibtisch von Dr. Elvira Bollhagen-Mergelteich, der Kulturredakteurin. Bis zu einem eigenen Büro hatte es die Kulturtante nicht gebracht, diesen Mangel versuchte sie krampfhaft zu verdrängen, indem sie ihren Arbeitsplatz hinter hoch gewachsenen Grünpflanzen versteckte: Ficus benjamini hieß die Art – eigentlich schöne Pflanzen mit ebenmäßigen glänzenden Blättern und einer unkomplizierten Natur.
    Doch der ständige Kontakt mit der Kollegin hatte die Pflanzen irgendetwas entbehren lassen – ich tippte auf Licht und Wärme – viele Zweige trugen keine Blätter mehr, andere waren bedeckt mit den klebrigen Ausscheidungen der Schildläuse, die jedes Jahr von neuem über das Grün herfielen – vermutlich, weil sie keine Lust hatten, selbiges mit dem vertrockneten Kulturbeutel vis-à-vis zu tun.
    Aber ich hatte natürlich kein Recht, der Kollegin Vorschriften zu machen, wie sie ihren Arbeitsplatz zu gestalten hatte. Sie hatte es bestimmt nicht immer leicht gehabt. Sie war allein erziehende Mutter eines ziemlich missratenen Jungen, über den sie selten sprach. Inzwischen ähnelte sie immer mehr einer alten Jungfer, die die warmen Momente des Lebens durch den obsessiven Besuch irgendwelcher Konzerte zu erhaschen versuchte und dann auch noch solche

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