Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
unübersehbar: Die Eingangstür des Gebäudes wurde von zwei nachempfundenen dorischen Säulen eingerahmt.
Das Haus war das Gebäude auf Mandy Turners Foto!
TÖDLICHE TRAGÖDIE: FAMILIENVATER ZÜNDET EIGENES HAUS AN – DREI TOTE!
Die Überschrift war in den größtmöglichen Lettern gedruckt und zog sich quer über die sieben Spalten. Ich schaute auf das Datum: 15. September 1981.
Das ist es, dachte ich.
Der Brand hatte sich am 14. September ereignet, und am 14. September 2001, also genau 20 Jahre später, waren die sieben Menschen in der Villa im Bierstädter Süden mit Gas hingerichtet worden! Eine heiße Welle der Erregung erfasste mich.
Als die Feuerwehr in der vergangenen Nacht in die Schweizer Allee gerufen wurde, war es für drei Menschen zu spät: Marianna und Marius Daniel und ihr Sohn Michael waren bereits tot, die achtjährige Tochter Luisa entkam schwer verletzt den Flammen, ein Feuer legte das Haus der Familie in Schutt und Asche.
Nach ersten Ermittlungen der Kriminalpolizei hat Marius Daniel (32) seine Frau Marianna (30) erschossen, das Haus in Brand gesetzt und sich anschließend selbst gerichtet. Sohn Michael (12) starb an Verbrennungen, seine jüngere Schwester Luisa konnte gerettet werden. Das Mädchen liegt auf der Intensivstation der Bierstädter Unfallklinik.
Der Grund für die Familientragödie ist noch nicht bekannt, die Recherche unserer Zeitung bei den Nachbarn der Daniels ergab, dass Marius Daniel das gesamte Vermögen durch Geldspekulationen verloren hatte.
»Seine Bemühungen, einen Teil der Summe gerichtlich einzuklagen, scheiterten vor etwa einem halben Jahr«, so der ermittelnde Kommissar Brinkhoff gegenüber unserer Zeitung.
Marius Daniel und seine Frau Marianna galten als glücklich verheiratet. Deshalb ist der schreckliche Vorfall für die Nachbarn unerklärlich.
»Dass er zugelassen hat, dass seine eigenen Kinder in dem Feuer umkommen könnten, ist unvorstellbar grausam«, erklärte eine Nachbarin der Daniels gegenüber dem Tageblatt. »Warum hat er Luisa und Michael vorher nicht in Sicherheit gebracht?«
Nach Augenzeugenberichten hat der 12-jährige Michael seine Schwester aus dem Bett geholt und sie vom ersten Stock aus in den Garten herabgelassen. Das Mädchen wurde von Feuerwehrleuten in Empfang genommen. Für den Bruder jedoch kam jede Hilfe zu spät. Er konnte zwar noch im brennenden Schlafanzug aus dem Haus laufen, brach aber dann zusammen und erlag noch am Unglücksort seinen schweren Verletzungen.
Das Kindermädchen der Familie hatte an diesem Tag Glück im Unglück. Die Engländerin hatte ihren freien Tag gehabt. Sonst wäre womöglich noch ein viertes Todesopfer zu beklagen.
Welches Glück ich hatte! Anton Brinkhoff, heute Leiter der Bierstädter Mordkommission, war vor zwanzig Jahren als junger Kriminalbeamter am Ort des Geschehens gewesen!
Und es gab eine Überlebende: das kleine Mädchen, das damals von seinem Bruder gerettet worden war!
Bericht aus der Vergangenheit
»Es war eine schreckliche Nacht. Das Haus stand in hellen Flammen, die Feuerwehr konnte nichts mehr ausrichten und wir wussten, dass sich noch Menschen darin befanden.«
Brinkhoffs Büro war noch immer so hässlich, wie ich es in Erinnerung hatte. Schäbige Möbel, durchgesessene Stühle, auf denen Mordverdächtige bei Verhören hin und her gerutscht waren, in der Leichtmetalljalousette vor dem Fenster fehlten einige Rippen.
Der Hauptkommissar hatte extra Kaffee für mich gekocht. »Der Kantinenkaffee ist ungenießbar. Und Sie kriegen mit tödlicher Sicherheit einen Pappbecher.«
Tödliche Sicherheit bei der Mordkommission – ich musste innerlich lächeln. Aber wirklich: Brinkhoffs Brühe war lecker.
»Natürlich war nicht sofort klar, dass der Mann zuerst seine Frau und dann sich erschossen hat«, erzählte Brinkhoff weiter. »Aber da war dieses englische Kindermädchen. Sie schrie herum, konnte kaum Deutsch und wir verstanden irgendwann, dass sich die beiden Kinder noch im Haus befanden.«
»Wissen Sie, wie das Kindermädchen hieß?«, fragte ich.
»Nein, aber das muss natürlich im Protokoll von damals stehen. Warum?«
»Ihr Name war Mandy Turner.«
Brinkhoff schaute mich ungläubig an. »Das ist doch der Name eines der Opfer aus der Villa!«
»Eben. Mandy Turner war vor zwanzig Jahren Au-pair-Mädchen bei der Familie Daniel, nach dem Brand ist sie nach England zurückgekehrt. Und seitdem war sie nie wieder in Deutschland.«
»Und jetzt kommt sie in Bierstadt ums Leben«,
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