Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
Wachlin.
»Geister?«, fragte ich. »Ich dachte, wir kriegen nur einen zu Gesicht.«
»Alle Geister, böse, gute und Spaßgeister können durch das Ritual angelockt werden«, erklärte der Zauberer. »Durch unsere Energie und durch mich als Medium wollen wir aber natürlich vor allem versuchen, Melencolias Geist zu beschwören.«
»Melencolia?«, fragte Brinkhoff.
»Der Hexenname Lilo von Berghofens«, klärte ich ihn auf.
»Verstehe«, brummte der Hauptkommissar. »Und ich bin der Kaiser von China.«
»Es kann gefährlich werden, wenn Sie sich ausschließen«, meinte Wachlin zu Brinkhoff. »Wir bilden einen energetischen Kreis, indem wir uns an den Händen fassen. Und jede Person, die außerhalb des Kreises ist, ist schutzlos und kann von bösen Geistern angegriffen werden.«
»Ich hab meine Dienstwaffe dabei.«
»Wenn Sie meinen, Geister erschießen zu können, dann bitte schön«, sagte Wachlin ernst. »Ich habe Sie gewarnt und übernehme keine Verantwortung. Und jetzt setzen Sie sich endlich.«
Brinkhoff verschwand in einer Ecke und machte es sich auf einem Sessel bequem. Seine Silhouette war nur noch vage zu erkennen.
Ich nahm die Gegenstände auf dem Tisch näher in Augenschein: ein seidenes Tuch, eine Brille und ein Foto der Toten.
Wachlin platzierte sich am Kopf, ich setzte mich rechts und Jansen links von ihm, Harras, Wayne Pöppelbaum und Frau Schmitz verteilten sich auf den restlichen Stühlen.
Die Emission der Räucherkerzen legte sich wie ein Schleier auf meine Lunge. Ich hustete mehrmals durch. Wachlin sah mich irritiert an.
»'tschuldigung«, sagte ich. »Der Qualm nimmt mir den Atem.«
»Das ist Weihrauch«, korrigierte der Zauberer.
»Kenn ich von den Katholiken«, nickte ich. »Die benutzen den auch bei ihren Ritualen.«
»Schließen Sie jetzt alle die Augen und fassen Sie sich an den Händen«, befahl Wachlin. »Und diese Linie darf keinesfalls unterbrochen werden.«
»Ich muss mal«, jammerte Pöppelbaum.
Die Muskeln im Gesicht des Magiers arbeiteten und er stieß einen unwilligen Ruf aus.
»Ich auch«, ließ sich Simon Harras hören.
»Konntet ihr nicht vorher pinkeln?«, blaffte ich. »Es war ja wohl Zeit genug.«
Peter Jansen erhob sich.
»Musst du etwa auch?«, fragte ich.
»Ich zeige den beiden nur das Gästeklo.«
Die drei trollten sich. »Nehmt Herrn Brinkhoff doch mit«, rief ich hinterher. »Der muss bestimmt ebenfalls gleich Wasser abschlagen.«
»Muss er nicht«, brummte der Polizist. »Seine Prostata ist noch in Schuss.«
Frau Schmitz kicherte.
Die mehrfache Betätigung der Wasserspülung kündigte das Ende der Pipi-Orgie an – nach und nach trafen die Männer wieder ein und wir waren komplett.
»Fassen Sie sich an den Händen«, wiederholte der Meister. »Lehnen Sie sich zurück und schließen Sie die Augen. Versuchen Sie, sich zu entspannen, lockern Sie die Muskeln Ihrer Körper und stellen Sie beide Füße auf den Boden, um geerdet zu sein.«
Meine Hand lag in der Hand von Wachlin, ich spürte die Hitze seiner Haut und eine leichte Feuchtigkeit. War er etwa doch nicht so cool?
»Du großer mächtiger Geist Melencolia, ich beschwöre dich zu dieser Stunde, um dir Fragen zu stellen. Ich bin dein Freund Johann Faust, dir als Zauberer ebenbürtig. Ordne dich mir unter, zeige dich mir, dringe ein in meine Seele, sprich durch mich. Solltest du unter einem Bann stehen, löse dich davon und beuge dich der Kraft meiner Beschwörung. Solltest du meinen Worten nicht gehorchen oder unwillig sein zu kommen, dann verfluche ich dich, werde dir deine Macht nehmen und dich an den schauerlichen Ort verbannen!« Wachlin machte eine Pause und atmete schwer.
Ich spürte, dass seine Hand leicht zitterte. Harras' Riesentatze lag warm und fleischig in meiner Rechten und er drückte sie kurz. Ich drehte den Kopf, blinzelte und erkannte ein leichtes Grinsen.
»Melencolia, ich beschwöre dich! Sprich durch mich. Ich öffne mich dir«, fuhr Wachlin fort.
Nichts geschah. Ein paar Minuten vergingen.
»Melencolia!« Wachlins Stimme hatte einen ärgerlichen Tonfall angenommen »Erscheine uns, du Geist. Gehorche meinen Forderungen, binde dich an mich, komm heraus aus deinem Schlupfwinkel im Unsichtbaren.«
Der Typ kriegt das nicht hin, dachte ich. Plötzlich begann meine Nasenspitze zu jucken, vermutlich ausgelöst durch den Weihrauchgestank. Ich versuchte, den Juckreiz durch heftiges Kräuseln meines Riechorgans zurückzudrängen, doch vergebens.
»Ja, ja, ja«, ertönte es
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