Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Möbel zerstört hat.«
Die Familie Zima bekommt keine öffentliche Unterstützung. Vater Kalo übernimmt Gelegenheitsarbeiten. Tochter Donka ist als Prostituierte tätig.
Zurück nach Bulgarien möchte die Familie nicht. »Kein gutes Leben für Roma«, meint Kalo Zima. »Deutschland besser und die Menschen sind nur manchmal böse.«
»Müssen Sie unbedingt erwähnen, dass das Mädchen anschaffen geht?«, fragte mich Schnack durchs Telefon, nachdem ich den Artikel abgespeichert und somit freigegeben hatte.
»Es ist die Wahrheit, Herr Schnack«, stellte ich fest.
»Das macht die Familie aber nicht gerade sympathisch.«
»Dafür kann ich nichts. Donka hat ganz offen davon erzählt. Sie ernährt schließlich die Familie.«
»Liebe Frau Kollegin«, sülzte mein Chef. »Ich streiche diesen Satz. Verschweigen heißt noch lange nicht zu lügen. Lassen wir doch einfach offen, mit welchem Gewerbe ein sechzehnjähriges Mädchen seine mehrköpfige Familie über die Runden bringt.«
Ich hatte keine Lust auf einen Schlagabtausch und stimmte zu. Sollte Schnack ruhig das Gefühl haben, dass ich seine Kompetenz anerkannte. In Kleinigkeiten war ich schon immer großzügig.
Abends war der Artikel in der Online-Ausgabe des Tageblattes zu lesen. Eine halbe Stunde später wurden die ersten Reaktionen gepostet: von den üblichen Rassisten mit den Dreckspack-Raus-Parolen, aber es gab auch positive Meldungen. Empörung über den Überfall und das Angebot eines Sozialkaufhauses, für neue Möbel zu sorgen.
Speichel statt Blut
Mein Schlaf war tief und ausnahmsweise mal traumlos. Deshalb fluchte ich laut, als das Klingeln meines Handys mich weckte. Es war noch nicht mal sechs Uhr.
»Wir überprüfen heute Morgen alle Romahäuser in der Nordstadt«, kündigte Friedemann Kleist an. »Ich habe eine Spezialeinheit zusammengestellt.«
»Warum das?«
»Ich erzähle dir jetzt etwas, was deine Kollegen frühestens heute Nachmittag erfahren. Bis dahin bitte ich dich, diese Information nicht weiterzugeben.«
Ich versprach es. »Nun sag schon«, drängelte ich.
»Es hat mit dieser überfallenen Romafamilie zu tun. Wir haben die Blutspuren analysiert, die wir in der Wohnung gefunden haben. Die DNA beweist, dass die tote Frau, die wir immer noch nicht identifiziert haben, mit der Familie Zima verwandt sein muss.«
Ich atmete durch. Endlich eine Spur!
»Was versprecht ihr euch von der Großrazzia?«
»Wir brauchen noch mehr Vergleichsmaterial. Wir haben ja auch Spuren der Männer gesichert, die mit der Toten zu tun hatten.«
»Zwangsweise Blutabnahme? Das haben die Nazis mit den Zigeunern auch gemacht!«
»Maria! Was glaubst du denn von mir?« Kleist war sauer. »Wir erklären den Menschen die Situation und bitten um die Abgabe einer Probe. Alles auf freiwilliger Basis. Außerdem nehmen wir kein Blut, sondern Speichel. Also krieg dich wieder ein.«
»Dürfen wir dabei sein?«
»Ja. Deshalb rufe ich dich ja so früh an. Wir brauchen eine gute Presse.«
»Du willst mich instrumentalisieren?«, fragte ich.
»Keineswegs. Ich möchte, dass du sachlich beobachtest. Eine solche Aktion ist ja politisch nicht unproblematisch. Großrazzia der Polizei gegen eine diskriminierte Minderheit. Da erinnern sich die Gutmenschen ja gern mal an die Nazi-Zeit, nicht wahr?«
»Tut mir leid«, meinte ich zerknirscht. »Ist mir so rausgerutscht.«
»Schon gut. Bis gleich.«
Ich informierte Wayne und wir trafen uns eine knappe Stunde später am Nordmarkt. Überall standen Polizeiwagen mit stummem Blaulicht. Kleist entdeckte ich inmitten einer Gruppe Männer. Pöppelbaum schoss erste Fotos.
Ein Beamter gesellte sich zu uns und stellte sich als Pressebeauftragter vor.
»Wer sind die Männer?«, fragte ich und deutete auf zwei bullige Kerle und einen weißhaarigen älteren Mann. Der Ältere trug die Haare zu einem Zopf gebunden.
»Die beiden Kollegen aus Bulgarien Nikolov und Nontschew und der Clan-Chef der Roma, ein Herr Dimitar Milev.«
Das war also der Romapate. Ich warf Pöppelbaum einen Blick zu und er verstand. Er montierte sein Tele.
»Herr Milev soll dafür sorgen, dass die Leute brav bleiben?«, verwickelte ich den Pressemann ins Gespräch.
»Es geht mehr um eine reibungslose Kommunikation. Die bulgarischen Kollegen können den Romadialekt nicht gut genug, um Vernehmungen durchzuführen, während Herr Milev sowohl leidlich Bulgarisch als natürlich auch Roma spricht.«
»Vernehmungen? Ich dachte, es ginge nur um einen Speicheltest?«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher