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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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sich um eine minderwertige Rasse handelt.«
    »Welch ein Wahnsinn!«, entfuhr es Kleist. »Und noch heute denken viele genau so!«
    »Ja, traurig genug. Und das Misstrauen gegen Deutsche, die ihre Sprache sprechen, hat sich auf der anderen Seite ebenso erhalten.«
    In der Redaktion erwartete mich ein völlig aufgedrehter Pöppelbaum. Sein emotional aufgewühlter Zustand ging wohl auf die Begegnung mit Ivana zurück.
    »Wie sie dem Bullen das Megafon auf den Schädel gedonnert hat – das war ganz großes Kino«, schwärmte er.
    »Aber auch toll, wie mannhaft du dich dann vor sie geworfen hast«, lächelte ich. »Nur der Schimmel zwischen deinen Beinen fehlte.«
    »Welcher Schimmel?«
    Ich hasste es, wenn man meine Supergags nicht raffte.
    »Nicht der Schimmel auf dem Brot. Das weiße Pferd, auf dem der Prinz geritten kommt, um die Prinzessin zu befreien«, klärte ich ihn auf.
    »Ich kann doch gar nicht reiten«, stotterte er.
    Ich gab es auf.
    »Geht es denn irgendwie weiter mit Ivana und dir?«, kam ich auf den Punkt.
    »Ich weiß nicht. Sie will mich nicht mehr – schätze ich.«
    »Und du? Was willst du?«
    Er zuckte mit den Schultern.

Das Leid der Hummeln
    »Die Hummeln sterben«, klagte Dr. Margarete Wurbel-Simonis lauthals. Die Kollegen am Konferenztisch zuckten zusammen.
    »Hummeln?«, fragte Dr. Berthold Schnack sichtlich irritiert.
    »Ein Phänomen der Natur«, machte Wurbel weiter. »Der Sommer ist zu trocken. Sie werden vor Durst ohnmächtig und fallen vom Baum.«
    »Das passiert mir auch manchmal«, sinnierte Simon Harras. Gekicher.
    »Die Kreatur leidet mal wieder unter dem Menschen.« Wurbelchen hatte rote Flecken auf dem Dekolleté.
    »Was kann der Mensch dafür, dass es nicht regnet?«, fragte Schnack.
    »Die Eingriffe in die Umwelt. Begradigung der Flüsse. Das Gas aus den Sprühdosen«, antwortete die Kulturredakteurin. »Wir sollten uns endlich unserer Verantwortung stellen!«
    »Frau Kollegin? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« Schnack sah in die Runde, als würde er Hilfe von uns erwarten. Doch alle machten ein Pokerface.
    »Verstehen Sie doch! Eine ganze Spezies verdurstet.«
    »Dann geben Sie ihnen das Fläschchen.« Schnack hatte die Nase voll. »Können wir uns jetzt den wichtigen Dingen zuwenden?«
    Wurbel verzog das Gesicht und machte ein spitzes, beleidigtes Mündchen. »So lasse ich mich nicht abspeisen. Ich bin nicht nur für die örtliche Kultur, sondern auch für Umweltthemen zuständig. Das war Ihre Idee, Herr Schnack.«
    »Dann schreiben Sie in Gottes Namen das Porträt über den ukrainischen Balletttänzer.«
    »Der tanzt nicht mehr«, entgegnete sie. »Raucherbein.«
    Gelächter.
    »Unter was für Ignoranten befinde ich mich hier eigentlich?«, schnippte Wurbel-Simonis.
    Auch der Volontär war heute aufmüpfig. Er bekam einen Artikel über die Ausbildungssituation der Bierstädter Jugend aufs Auge gedrückt.
    »Ist doch immer wieder das Gleiche«, maulte er. »Arzthelfer und Bürokaufleute boomen, Bäcker und Fleischer kriegen die Lehrstellen nicht voll.«
    »Dann hast du doch schon deine Überschrift«, half ich. »Kein Schwein will Fleischer werden.«
    Er grinste schief. Die Stimmung war heiter.
    »Könnten wir uns wieder dem schnöden Alltagsgeschäft zuwenden?«, mahnte Schnack ernst an. »Kollege Biber hat uns eine Reportage plus Fotos aus Plovdiv gemailt. Wir werden sie morgen veröffentlichen. Dazu der Bericht der Kollegin Grappa von der Razzia heute Morgen in der Nordstadt. Ich habe Ihnen Bibers Reportage in Ihr Postfach kopiert, Frau Kollegin. Die Seite drei gehört komplett Ihnen.«
    Ich zog mich in mein Büro zurück und führte mir Bärchens Geschreibsel zu Gemüte. Nach zehn Zeilen wusste ich, dass er seine Sache gut gemacht hatte.
    Für 50 Euro ins Bierstädter Paradies – Reportage aus den Elendsvierteln von Plovdiv
    Von Carsten Biber
    Ich bin seit zwei Stunden im Romaviertel Stolipinovo. Es stinkt fürchterlich. Der Abfall wird nicht abgefahren. Müll fliegt einfach vom Balkon oder dem Fenster auf die Straße. Plastiksäcke, vergammeltes Gemüse, verschimmeltes Brot, Kondome.
    Vor einem Schuppen sitzt ein alter Mann auf einem Plastikstuhl. Er ist Besitzer eines kleines Ladens – vier Quadratmeter Verkaufsfläche mit Dingen, die irgendwo in der Stadt von einem Lkw »gefallen« – also gestohlen sind. Er bietet mir einen Tee an. Ich lehne ab, denn ich weiß nicht, welche Keime in diesem Wasser sind.
    Andere sind unfreundlicher. An der Straße steht eine Gruppe

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