Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Frau Grappa«, antwortete Biber. »Ich habe eine gute Kamera und schon alles über Plovdiv gelesen, was es im Netz zu finden gibt.«
»Brav«, nickte ich. »So arbeiten Profis.«
Harras und Pöppelbaum grinsten fett.
Am Nachmittag erreichte mich eine Pressemitteilung der Polizei. Es war Kleist gelungen, den Chef der bulgarischen Roma zur Zusammenarbeit zu bewegen. Dimitar Milev hatte versprochen, seine Leute aufzufordern, der Kripo bei ihren Nachforschungen behilflich zu sein. Als weitere vertrauensbildende Maßnahme stellte er den Kontakt zu der überfallenen Familie her.
Ich fasste die neuen Fakten in einer kurzen Meldung zusammen. Ein Interview mit dem Romapaten würde sich gut machen, dachte ich. Kleist musste mir helfen, ein Treffen zu arrangieren.
»Er spricht kein Wort Deutsch«, verriet mir mein Hauptkommissar kurz darauf. »Und Bulgarisch nur bruchstückhaft.«
»Ich nehme Ivana Rose von der Mission zu dem Treffen mit«, kündigte ich an. »Sie spricht Xoraxane-Romani. Wo sind eigentlich die Überfallopfer?«, erkundigte ich mich.
»Sie wollen in die Wohnung zurück. Schließlich zahlen sie Miete an Whitehall. Nicht alle Roma sind Hausbesetzer.«
»Ich weiß. Nicht jeder Roma klaut und nicht jede Romafrau geht anschaffen.«
Als Nächstes schellte ich bei der Mission durch. Maxi Singer war in ihrem Büro und äußerte sich zufrieden über meinen Artikel.
»Wenn die Roma merken, dass Polizisten für das bestraft werden, was sie tun, wächst ihr Vertrauen in die Staatsmacht«, hoffte sie.
»Leider ist das ein langfristiger Vorgang«, meinte ich. »Und so viel Zeit habe ich nicht. Wir haben einen Mörder, der frei herumläuft. Ich will die überfallene Familie interviewen. Dazu brauche ich die Hilfe von Ivana Rose.«
»Das macht doch die Polizei«, entgegnete Maxi Singer. »Seit Kurzem sind sogar bulgarische Kriminalisten in der Stadt.«
»Würden Sie mit einem Bulga-Bullen plaudern, wenn Sie ein Roma aus Plovdiv wären?«
»Bestimmt nicht. Sie haben recht. Ich werde Ivana fragen, wann sie Zeit für Sie hat.«
Ein bettelndes Armband
Eine Stunde später traf ich mich in der Kaffeebude am Nordmarkt mit Ivana. Pöppelbaum hatte mich begleiten wollen, aber einen verliebten Knipser konnte ich nicht gebrauchen.
»Hast du deinen Kollegen Fotograf nicht mitgebracht?«, fragte Ivana prompt.
»Nein, heute nicht. Er findet dich übrigens sehr nett, Ivana.«
»Ich auch finde nett.«
Sie war nicht geschminkt und trug eine schlichte Hose und ein T-Shirt. Ich konnte sie mir beim besten Willen nicht als überschminkte Hure vorstellen – mit billigem Schmuck behängt und in erotische Kleidung gezwängt. Der einzige Schmuck, den sie trug, war ein silbernes sogenanntes ›Bettelarmband‹, dessen Anhängsel leise klimperten, wenn sie sich bewegte.
»Ist der Foto-Mann verheiratet?«, wollte sie wissen. »Kinder?«
»Ivana«, sagte ich. »Frag ihn selbst, ja?«
Sie nickte. »Du weißt, dass ich früher anschaffen war. Maxi hat dir erzählt. Familie hat mich gezwungen. Kann ich nicht sagen ihm.«
»Er mag dich und du solltest ihm gegenüber ehrlich sein.«
»Hat mich alles kaputt gemacht«, sagte sie leise, mit Tränen in den Augen. »Leben sinnlos. Und immer geht weiter. Viele neue Mädchen, immer jünger. Freier immer böser.«
»Hast du noch Freunde bei den Roma? Und was ist mit deiner Familie?«
Ivana schüttelte verneinend den Kopf. »Familie nach Plovdiv zurück. Ich habe ihnen Ladz gemacht. Das ist Schande in Deutsch.«
»Du hast Schande über deine Familie gebracht? Weil du nicht mehr anschaffen gehst?« Ich fasste es nicht.
»Familie ist arm und Töchter müssen arbeiten.«
Der Kellner brachte mir einen Milchkaffee und Ivana türkischen Tee. Ein Hauch von Pfefferminz strömte aus dem Glas.
»Ich kannte ein Mädchen«, erzählte Ivana. »Zita. Hat Schwester Mala. Zita von Familie weg. Wie ich. Hat Mann geheiratet. Lebt in Bierstadt. Familie Adonay wieder zurück in Plovdiv.«
»Das wäre eine schöne Geschichte für die Zeitung«, rief ich aus. »Hast du noch Kontakt zu Zita?«
»Nein. Will nichts mehr wissen von alte Leben. Hab sie lange nicht mehr gesehen.«
Schade. Eine menschelnde Story über eine armes Zigeunermädchen, das in Bierstadt sein Glück gefunden hatte, wäre eine schöne Abwechslung gewesen inmitten des ganzen Elends.
»Wie hat Zita den Mann denn kennengelernt? War er ein Freier?«
»Zuerst Freier. Kam immer wieder. Wollte nur Zita. Mala war eifersüchtig, denn sieht
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