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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Männer, die mich misstrauisch mustert. Zwei junge Frauen, die auf der Straße kauern, versuchen, mir ihre Dienste aufzuzwingen. Für zehn Euro möchten sie mitkommen. Ich verstehe sie absichtlich nicht.
    Sechzigtausend Roma leben in diesem Viertel. In Hütten, verfallenen Steinhäusern und aufgegebenen Hochhaussilos. Die engen Gassen sind von Müll gesäumt, Autos kommen nur schwer durch die Schneise in der Mitte. Es regnet seit Tagen. Der Sandboden ist aufgeweicht. Hühner scharren im Schlamm, magere Pferde stehen mit gesenkten Köpfen im Freien. Es gibt keine Müllabfuhr, keinen Strom, kein fließendes Wasser und keine Kanalisation.
    Doch es gibt Hoffnung für diese Menschen. Wenn die Busse kommen. Busse, auf die der Name Bierstadt gemalt worden ist. Fünfzig Euro kostet die Fahrt nach Deutschland.
    Für Lebensmittel braucht ein Mensch in Stolipinovo 80 Euro pro Monat. In Bierstadt verdient das eine Frau an einem Tag auf dem Straßenstrich.
    Die Arbeitslosigkeit in Stolipinovo liegt bei siebzig Prozent. Die Roma, die Arbeit haben, verdingen sich meist als Tagelöhner. Falls jemand Arbeit findet, dann am ehesten bei der Stadtreinigung. Maximal 150 Euro springen dabei im Monat heraus.
    Die meisten Roma können weder lesen noch schreiben. Sie waren nie in einer Schule. In der Regel werden sie mit dreizehn oder vierzehn Jahren verheiratet und bekommen dann eigene Kinder, die auch in Stolipinovo aufwachsen. So wird die Motivation genährt, das Glück in Bierstadt zu suchen.
    Ich machte meine Arbeit und gestaltete eine schöne Themenseite. Auch Bärchen Bibers Fotos waren gar nicht so übel. Mancher wächst tatsächlich mit seinen Aufgaben, dachte ich.

Heirat als Happy End?
    Ivana begab sich auf die Suche nach ihrer früheren Freundin Zita. Deren schwangere Zwillingsschwester Mala war mit ihrer Familie nach Plovdiv zurückgegangen. Zita hatte einen Freier geheiratet und danach mit Familie und Szene gebrochen.
    »Ich denke, dass sie beim Übersetzen helfen kann«, teilte mir Ivana morgens am Telefon mit. »Ist seit halbes Jahr mit deutsch Mann verheiratet. Kann bestimmt besser Deutsch als ich.«
    »Weißt du denn, wo sie wohnt? Oder wie der Mann heißt?«
    Sie verneinte. »Ich muss Maxi fragen. Sie kennt Mala und Zita.«
    Da ich den Tag freihatte, verabredete ich mich mit Ivana in der Kaffeebude am Nordmarkt. Sie wollte Maxi Singer mitbringen, falls diese nicht gerade etwas zu missionieren hatte.
    Eine Stunde später saßen wir zu dritt an einem kleinen Tisch – zu unseren Füßen lag Mobby.
    »Er hat Schnupfen«, warnte Maxi Singer. Sie hatte es kaum gesagt, als die Bulldogge laut schniefte, sich schüttelte und schließlich den Auswurf auf den Boden fallen ließ – direkt neben meine Schuhe.
    »Und schlecht ist ihm auch«, schob Maxi nach. »Er muss irgendwo eine verdorbene Wurst gefunden haben.«
    Das wirkte wie ein Befehl: Der Hund rappelte sich drei Zentimeter nach oben, würgte lautstark, warf den Kopf hin und her – die rote Zunge schlackerte wie ein nasser Waschlappen. Dann Pause und noch mal Würgen. Ein bräunliches Gemisch fiel auf den Boden.
    »Geht es dir jetzt besser, süßes Mobbylein?«, fragte ich scheinheilig – selbst kurz vor dem Würgen.
    Mobby schaute mich aus seinen vorstehenden Augen spöttisch an, als wollte er sagen, dass ich mir meine frommen Wünsche sonst wo hinstecken konnte.
    Der Wirt näherte sich wortlos mit einem Kehrblech und einer Küchenrolle der Marke Saugwunder und beseitigte die Bescherung.
    Mobby schloss derweil erschöpft die Augen. Eine Minute später zog ein leichtes Schnarchen durch das Café.
    »Sie wollen etwas über die Zwillinge wissen?«, kam Maxi zur Sache. »Gut, dann erzähle ich Ihnen mal was. Die beiden waren eine Sensation auf dem Straßenstrich, eben weil sie Zwillinge waren. Ihr Vater hatte sie schon Anschaffen geschickt, als sie minderjährig waren. Das war noch in Plovdiv. Beide haben rasch selbst Kinder bekommen. Verhütung war Fehlanzeige. Der Ruf der Zwillinge verbreitete sich sehr schnell durch die Website billig-ficken-in-bierstadt.de. Ich habe Ihnen mal was ausgedruckt.« Sie reichte mir ein paar Blätter. »Lesen Sie es – und dann sprechen wir weiter. Ich dreh mal eine Runde mit Mobby. Ich glaube, er muss mal.«
    Ich nickte heftig. Ein drittes Malheur, diesmal produziert vom anderen Ende der Bulldogge, mochte ich nicht miterleben. Maxi zog Mobby aus dem Laden.
    Ich wandte mich den Texten zu.
    Dr. Fist schreibt:
    Betrifft Mala/Zita

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