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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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denn?«
    »Versuchen Sie es einfach. Kaufen Sie dem Alten eine Pulle Schnaps, Mala ein Fläschchen Parfum – dann läuft das schon.«
    »Warum sollte ich Ihnen einen Gefallen tun, Frau Grappa?«
    »Weil Sie ein Profisind und wir uns danach sehr viel besser verstehen werden«, erwiderte ich mit honigsüßer Stimme.
    »Und wie heißt das Zauberwort?«, fragte er ebenfalls honigsüß.
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Bitte!«
    »Geht doch. Okay, ich versuche es. Die Kohle für den Schnaps und das Parfum krieg ich aber wieder!«
    »Ich möchte das Romaproblem aus der kriminellen Ecke herausholen und auf eine politische Ebene stellen«, verkündete Chefredakteur Schnack eine Stunde später auf der Redaktionskonferenz. »Es gibt doch eine Roma- und Sinti-Organisation in Deutschland. Haben sich deren Vertreter schon mal zu ihren bulgarischen Brüdern und Schwestern geäußert?«
    »Nicht wirklich«, antwortete ich. »Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma – so heißt die Organisation genau – kümmert sich hauptsächlich um die Verfolgungen während der Nazi-Zeit. Auf der Homepage des Verbandes gibt es keinerlei Hinweis auf das aktuelle Romaproblem. Von Maxi Singer weiß ich, dass die deutschen Roma und Sinti mit denen aus Plovdiv nichts zu tun haben wollen. Sie können sich ja auch gar nicht mit denen verständigen.«
    »Würden Sie bitte dennoch eine Stellungnahme einholen, Kollegin Grappa?«, fragte Schnack. »Vielleicht braucht der Verband ja nur eine Initialzündung.«
    »Kann ich gerne versuchen, Herr Schnack«, lächelte ich. »Aber es wird nicht viel dabei rauskommen.«
    »Wenn wir immer alles vorher wüssten, könnten wir uns jede Recherche sparen.«
    Okay. Schnack wollte mich anscheinend auf ein totes Gleis schieben. Ich würde ihm den Gefallen tun und das Thema ›Landesverband‹ ins Aus recherchieren.
    Die Sache kostete mich zehn Minuten. Ich scheiterte schon an der Geschäftsführerin der Organisation, die mir ihre wenig schmeichelhafte Meinung zu dem Bierstädter Problem mit den Bulga-Roma kundtat. Und der Präsident habe keine Zeit für mich. Es gebe überall Vorurteile. Der Mensch sei eben so.
    Ich informierte Schnack über meinen Versuch und versprach ihm, dranzubleiben. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, den Landesverband Deutscher Roma und Sinti daran zu erinnern, dass es auch aktuelle Probleme gab – auch wenn die Roma keine deutsche Staatsangehörigkeit hatten.
    Ich prüfte meine Mails. Bärchen Biber hatte mir eine Mail geschickt, die nur einen Smiley enthielt. Aber ein Anhang war geladen. Ein Foto. Es zeigte meinen Kollegen zwischen einer jungen Frau und einem mittelalten Mann. Mala Adonay und vermutlich ihr Vater! Bärchen hatte Zitas Familie tatsächlich gefunden.

Bärchen macht die Rechnung auf
    Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal Bärchen Bibers persönliches Erscheinen herbeisehnen würde. Er machte es spannend, hatte einen halben Tag freigenommen, um sich von den Strapazen der Reise zu erholen. Erst gegen Mittag schlenderte er ins Großraumbüro, übersah mich geflissentlich und ging weiter durch zum Chef.
    Um meine Nerven zu stärken, begab ich mich in die Küche, kochte mir einen starken Kaffee und zog mich in meine Einzelzelle zurück. Hatte Bärchen das, was ich wollte?
    Endlich klopfte es und der Kollege trat ein.
    »Danke für das Foto«, sagte ich sofort. »War es schwer, die Leute zu finden?«
    »Ich hab Zar Badi gefragt.«
    »Wer ist das?«
    »In Stolipinovo gibt es nicht nur Elend«, berichtete er. »Die Roma haben einen Clan-Chef, der sich ›Zar‹ nennen lässt. Er wohnt in einem hübschen Häuschen außerhalb des Viertels. Er kennt alle Roma, die in Stolipinovo leben. Und im Tausch gegen eine Stange Zigaretten und meinen goldenen Kugelschreiber hat er mir verraten, wo ich die Adonays finden kann.«
    »Gut gemacht«, lobte ich. »Wie haben die denn reagiert auf die Grüße aus Bierstadt?«
    »Verhalten – soweit ich das verstehen konnte. Der Vater war verschnupft, als ich den Namen Zita nannte. Er trauert wohl dem entgangenen Familieneinkommen nach. Vielleicht hat er mir auch deshalb gleich Mala für eine schnelle Nummer in der Wohnküche angeboten. Ich habe zugestimmt und ihm zwanzig Euro gegeben. Daraufhin hat er uns allein gelassen. So romantisch hab ich mir Erotik mit einer Frau immer vorgestellt.«
    Ich musste grinsen. »Es ist immer eine Frage des Niveaus. Sex mit Strichjungen am Bahnhof ist auch nicht romantischer.«
    »Nicht wirklich«, gab Bärchen zu.

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