Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
erwähnt? Ich strengte mein Hirn an. Maxi Singer wusste von nichts, geschrieben hatte ich sowieso nichts darüber. Und Pöppelbaum? Er hing in der Geschichte genau so drin wie ich und ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, dass ich ihm nichts erzählt hatte.
Nach dem dritten Glas Prosecco rief ich ihn an. »Kannst du reden?«
»Ja, Ivana ist beim Deutschkurs. Was gibt es denn?«
»Der verdeckte Ermittler ist aufgeflogen«, startete ich den Versuch.
»Der Bulle, der an Wachtraum dran war?«, fragte er.
»Genau der«, meinte ich ernüchtert. Der Bluthund wusste also Bescheid. »Sag mal, hast du Ivana erzählt, dass Kleist einen heimlichen Ermittler in die Szene eingeschleust hat?«
Pause.
»Ich habe es mal erwähnt, ja«, kam es dann. »Warum?«
»Was hast du ihr denn genau erzählt?«
»Dass jemand versuchen will, an die Snuff-Filme heranzukommen«, antwortete er. »Hab ich was falsch gemacht?«
»Du nicht«, sagte ich leise. »Aber ich.«
Schmerzhaftes Dunkel und ein Verdacht
Ich hatte keine gute Nacht. Pöppelbaum hatte ein Körnchen Misstrauen in mein Hirn implantiert und es keimte. Kleist hatte Ivana für Vernehmungen der Roma als Dolmetscherin engagiert, sie hatte für Maxi Singer übersetzt und auch ich vertraute ihr voll und ganz.
Spielte die schöne junge Frau ein doppeltes Spiel? Natürlich hatte ihr Vorleben Einfluss auf die Einschätzung der Person. Die Mission hatte sie aus einer lebensbedrohlichen Lage gerettet – so hatte es Maxi Singer erzählt. Und warum hätte Ivana mir den Tipp geben sollen, dass die verweste Leiche ihre alte Freundin Zita Adonay sein könnte, wenn sie uns alle hinterging? Immerhin hatte dieser Hinweis die Ermittlungen vorangebracht.
Mir fiel die Anruferliste ihres Handys wieder ein. Wenn ich Wayne um die Telefonnummern bäte, würde er wissen, dass ich sein Misstrauen teilte.
Ich schüttete den Kaffee literweise in mich hinein und mir wurde kotzübel. Mein Blut hämmerte in den Schläfen und ein Gewitter zog in meinen Kopf. Eine fette Migräne hatte mich erwischt.
Aber noch konnte ich einigermaßen denken. Ich nutzte diese Tatsache und rief Wayne an.
»Ich komme heut nicht zur Arbeit«, verkündete ich. »Migräne.«
»Du Arme«, entgegnete er. »Ich sag Bescheid. Soll ich ir gendwas besorgen? Tabletten? Oder brauchst du einen Arzt?«
»Ich hab Tabletten und verzieh mich gleich ins Bett. Aber ich muss dich noch was fragen.«
»Ja?«
»Bist du den Telefonnummern aus Ivanas Handy nachgegangen?«
»Nein. Ich hab den Zettel zerrissen. Du hattest recht, Grappa. Ohne Vertrauen hat eine Beziehung keine Chance. Brauchst du wirklich nichts?«
Ich verneinte, verdunkelte den Raum, stellte Telefon und Handy ab, warf eine starke Pille ein und verzog mich ins Bett. Schon bald war ich ins Dunkel abgedriftet. Die Tablette wirkte nach zehn Minuten und das Kopfweh ließ mich aus den Krallen.
Gegen Mittag wachte ich auf. Schmerzfrei. Nur ein wenig langsam im Kopf und in den Bewegungen. Ich trank eine Flasche Wasser, duschte lange und mümmelte ein Stück Brot.
Das Bierstädter Tageblatt lag noch vor der Haustür. Berthold Schnack hatte in einem Leitartikel die Genehmigung der Stadt für das Großbordell gegeißelt und Albtraumbilder von Bierstadt als künftiger europäischer Sexmetropole heraufbeschworen. Er forderte die Bürger auf, gegen das Vorhaben mit allen Mitteln zu kämpfen.
Ich aktivierte mein Handy. Kleist bat um Rückruf.
»Was ist los?«, fragte mein Polizist. »In der Redaktion sagte man mir, dass du krank seist.«
»Migräne – ist aber schon wieder gut«, entgegnete ich. »Und bevor du fragst: Ich brauche keinen Arzt, keine Tabletten, kein Mitleid.«
»Tapferes Mädchen«, lobte er. »Ich habe eine Information für dich, die dich deine Migräne vergessen lassen wird. Wir haben herausbekommen, woher die Pferdebeine stammen, die man dir aufs Auto gelegt hat. Aus dem Schlachthof. Der Chef der Ausbeinerkolonne – so heißen die Leute wirklich – erinnerte sich, dass eine junge Frau zwei Pferdebeine gekauft hat. Das war so außergewöhnlich, dass er es sich gemerkt hat.«
»Konnte er die Frau beschreiben?«
»Er hielt sie für eine Ausländerin. Türkin. Aber es kann natürlich auch eine Roma gewesen sein. Jedenfalls ist der arme Gaul nicht wegen dir gestorben.«
In der Redaktion war ich entschuldigt, aber ich fühlte mich schon wieder recht gut. Eine gute Gelegenheit, meine E-Mails durchzusehen.
In dem neuen Mail-Account war eine Nachricht eingegangen
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