Grass, Guenter
einen
Schrittzähler am Bein, geizte nur mit Pfennigbeträgen, gewann stets beim Skatspiel
mit seinen leitenden Angestellten, wechselte immer rascher die Cheflektoren,
ließ sich gegen zähen Widerstand die von mir geforderten Übersetzertreffen und
ein Autorenstatut, das vorm Verkauf unserer Buchrechte schützen sollte,
schlußendlich abhandeln. Er blieb mein Freund, sofern man mit seinem Verleger
befreundet sein kann, bis er hochbetagt den Verlag verscherbelte, dabei die
Autoren infam außer acht ließ, einzig auf Eigennutz bedacht, als hätte er
vorgehabt, mit dem Erlös seines schnellen Handels ins Jenseits zu verschwinden.
Was
ihm verlegerisch folgte, glänzte durch erwiesene Unfähigkeit und ist nicht der
Rede wert; von Luchterhand wechselte ich zu einem anderen Verlag.
Keines
der großen Häuser mit Namen lockte. Zu Gerhard Steidl ging ich, der willens
war, meine Buchrechte rauszukaufen und mir als leidenschaftlicher Büchermacher
bekannt war.
Er
betreibt in verwinkelten Göttinger Altstadthäusern seinen Verlag mit Druckerei,
wobei er nie zur Ruhe kommt, immerfort treppauf treppab eilt, Entscheidungen
als Befehle verkündet, Wörter wie bitte und danke für überflüssig, weil
zeitraubend hält und mit zwei Umhängetaschen voller Papiere stets reisefertig
ist. Nur notgedrungen schläft er und wird deshalb von mir zu jenen kreativ
Verrückten gezählt, die, so unleidlich sie gelegentlich sein mögen, liebenswert
sind, weil sie immerfort etwas schaffen, erschaffen müssen und - wie Steidl -
ins Bücherdrucken vernarrt bleiben.
Er
macht mir die allerschönsten, geht, was niemand vermuten würde, mit seinen
Produkten zärtlich um, prüft, wie es einst Salomon Hirzel tat, jeden Andruck,
der aus der Maschine kommt, sorgt für deren Futter, indem er auf Kurzreisen
nach Amerika und bis in die Arabischen Emirate Aufträge einholt, auf daß sein
Wunderding von Druckmaschine, die ich ihn streicheln sah, Tag und Nacht nicht
zur Ruhe kommt, denn trotz Internet und Google glaubt er an die Zukunft des
Buches, wenn es von erlesenem Papier, sorgfältig gebunden, altmodisch mit einem
Lesebändchen ausgestattet und sein Satzspiegel ansehnlich ist.
Ein
geschäftiger Eremit, der kommt und geht. Räuspern kündigt ihn an. Auf Reisen
erledigt er seine Post. Der Rest bleibt liegen, stapelt sich selbsttätig. Wer
auf ihn wartet, muß Zeit übrig haben. Der immer eilige Steidl. Ein Chaot, der
vorgibt, auf Ordnung bedacht zu sein. Neuerdings trägt er, den man vormals für
den Nachtwächter seines Verlages halten konnte, auffällige Jacken, in die ihn
sein Mentor, der Schöpfer exquisiter Modelle für ein Pariser Modehaus,
kleidet. Für dessen weltweit gerühmte Kostbarkeiten druckt und druckt er
Kataloge voller magersüchtiger Schönheiten und was sonst noch alles der
eleganten Welt dienlich sein möchte.
Ganz
anders die beiden Verlegerinnen, denen ich besonders zugetan war und bin. Die
eine, Maria Sommer, steht in Berlin dem Gustav-Kiepenheuer-Bühnenvertrieb vor
und ist seit Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts für meine
ungespielten Theaterstücke sowie für Film- und Fernsehrechte zuständig; die
andere, Helen Wolff, betreute mich dreißig Jahre lang von der »Blechtrommel«
bis zur Erzählung »Unkenrufe«. Streng überwachte sie jede Übersetzung meiner
Bücher bis hin in die verstiegenste Wortakrobatik.
Maria
Sommer gründete ihren Bühnenvertrieb unmittelbar nach Kriegsende, kaum hatte
sie ihr Studium abgeschlossen. Anfangs halfen ihr die Rechte an »Charleys
Tante«, einem Stück, das zu jeder Zeit bühnentauglich ist, dann wurden
vielgespielte Franzosen und Belgier ihre Autoren. Stets ist sie auf Suche nach
Talenten und zahlt aus Prinzip pünktlich.
Helen
Wolff emigrierte nach dreiunddreißig mit ihrem Mann Kurt Wolff, der als junger
Verleger Kafkas erste Erzählungen auf den Buchmarkt gebracht hatte, über
Italien, die Schweiz nach Amerika, wo sie, nach Verlagswechsel, bei Harcourt
Brace Jovanovich die Buchreihe »Helen and Kurt Wolff Books« herausgaben, zu der
auch meine ins amerikanische Englisch übersetzten Bücher zählten.
Maria
Sommer, die auf die Neunzig zugeht, ist nicht nur Bühnenverlegerin. Streitbar
tritt sie für Autorenrechte ein, ist sozusagen der Schutzengel der Autoren in
einer Zeit, in der kleingedruckte Enteignungsklauseln in Verträgen und
schleichende Enteignung durch Digitalisierung als neueste Praxis des Raubdrucks
üblich werden. Sie aber durchschaut alle Finten, kennt
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