Grass, Guenter
Galapagosinseln heimgebracht
hatte. Zu denen gehörten Zeichnungen von Finken mit unterschiedlichen
Schnäbeln, die berühmt gewordenen Darwinfinken.
Derweil
war sein fünftes Kind unterwegs. Auch sezierte er dies und das unterm
Mikroskop, zauderte aber fernerhin, sein Wissen über die natürliche Auslese der
Arten unter die Leute zu bringen. Also hielt er sich an Rankenfüßler, zeugte
weitere Kinder und führte sein von der Uhrzeit geregeltes Dorfleben.
Derweil
geschah doch noch etwas im sonst ereignislosen Dasein der Grimmbrüder: zeigte
der erste Germanistentag in Frankfurt am Main, auf dem Jacob als dessen
Inspirator und Vorsitzender »Über den Werth der ungenauen Wissenschaften« und
Wilhelm »Über das Deutsche Wörterbuch« gesprochen hatten, doch dergestalt
Wirkung, daß fürs folgende Jahr ein zweiter, und zwar in Lübeck, vorbereitet
werden sollte.
In
Frankfurt hatte Jacob gemeint, vor Wörtern »mit kaltem lateinischen Namen« warnen
zu müssen: »der chemische tiegel siedet unter jedem feuer...« Er ermunterte die
versammelten Germanisten: »wir aber freuen uns eines verschollenen
ausgegrabenen deutschen worts mehr als des fremden«; hingegen wies Wilhelm in
seiner Rede auf die strenge Sprachzucht der französischen Akademie hin - »Man
könnte in Versuchung gerathen, der verwahrlosten, hingesudelten Sprache, die
bei uns oft genug in ihrer Blosse sich zeigt, eine solche polizeiliche Aufsicht
zu wünschen« -, doch dann befand er: »So steht es nicht bei uns, und ich glaube
wir dürfen sagen zu unserm Glück. Unsere Schriftsprache kennt keine
Gesetzgebung, keine richterliche Entscheidung über das, was zulässig und was
auszustossen ist, sie reinigt sich selbst, erfrischt sich und zieht Nahrung aus
dem Boden, in dem sie wurzelt...«
Man
hätte erwarten können, daß solche Reden anspornend gewesen wären, die
Wörtersuche bis hin zur ersten druckfertigen Lieferung für den ersten Band zu
beleben, dennoch verharrten die Brüder weiterhin, suchten planlos und sprangen
von Stichwort zu Stichwort. Wohl deshalb hatte Wilhelm den ungeduldig hoffenden
Germanisten, die dem Wörterbuch schier entgegen hungerten, versichert: »Ein
Werk dieser Art bedarf langer und mühsamer Vorarbeiten, deren Beendigung nicht
erzwungen werden kann...«
Immerhin
machte die Entwicklung der Eisenbahn derweil rapide Fortschritte. Auf der
Strecke Leipzig-Dresden wurde die Mulde bei Würzen über die erste große Brücke
vierhundert Meter lang befahren. In der Wagenbauanstalt auf dem Gelände des
Leipziger Bahnhofs gelang es, von englischen Lieferungen unabhängig zu werden
und vierachsige Dritte-Klasse-Reisezugwagen zu entwickeln. Was die Fürsten
politisch behinderten, schien die Aktionäre der Eisenbahn zu beflügeln: auf
dem deutschen Flickenteppich zeichnete sich nach und nach ein Streckennetz ab,
das, wenn nicht Einheit, dann beschleunigte Verbindungen versprach, so auch,
wie sich bald zeigen sollte, bei Aufruhr und Revolte: den raschen Transport
von Militär samt Bagage und Geschütz.
Und
der Briefwechsel zwischen den Grimmbrüdern und ihren Verlegern blieb derweil
lebhaft. In einem Schreiben vom 6. Februar 1847, gerichtet an Salomon Hirzel,
besteht Wilhelm auf edler Schriftsprache: »Wir wollen gerade der Unwissenheit
derer abhelfen, die nicht unterscheiden können was gut deutsch ist...« Hirzel
geht nicht direkt darauf ein, lobt aber die Zuarbeit zweier junger Männer: »Die
beiden Glücklichen, welche von früh bis Abend so lange es Tag ist die
Wörterbuch-Zettel sortiren, sind seit etwa zwei Wochen bei dem zweiten Theil
ihrer Aufgabe beschäftigt, d. h. beim Sortiren der beiden Hauptabtheilungen A-L
und M-Z in die einzelnen Buchstaben. Diese anscheinend so durch und durch
mechanische Arbeit übt augenscheinlich einen geistigen Einfluß auf die jungen
Leute aus...«
Derweil
nahmen die Beiträge für das Wörterbuch ein unübersichtliches Ausmaß an,
wenngleich einige der Exzerptoren abgesprungen waren, so Heinrich Otto Jacobi,
der als Philologe zwar dreitausend Belegzettel aus den Dichtungen des Andreas
Gryphius, aber zu wenig aus Schillers Werk gezogen hatte. Dafür blieb der
emeritierte Oberfinanzrat Fallenstein fleißig. Er exzerpierte Simon Dach und
Sigmund von Birken, Ludwig Uhland und Luthers Tischreden. Und wer noch alles
bei der Zitatsuche emsig war und das Werk deutscher Dichtkunst von A bis Z
flöhte, so daß aus den Zettelkästen ein vielstimmiges Wispern hörbar wurde.
So
sahen sich die beiden von Hirzel
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