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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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und
Trug, mit Sack und Pack außer Rand und Band sein. Besonders Goethe kam zu schöner
Kürze, indem er befreit von Artikeln dichtete: »füllest wieder busch und thal
still mit nebelglanz...« und unlängst hat offenbar ein Lyriker einer mit
Elektronik handelnden Discounterkette zu einem Werbeschrei verholfen, demzufolge
»Geiz geil« zu sein hat.
    Da
sich aber die Deutschen voneinander zu unterscheiden lieben, müssen ihnen dabei
die Artikel dienlich werden. Sie sagen, wenn Namen im Spiel sind, gerne: der
Heini, die Gabi, wie schon zu Hebels Zeit vorlautend der Artikel klang: »der
Friedrich, sVreneli.« Nur im Norden des Landes verschluckt man der die das:
»ich habe es Ernsten gesagt, habe Louisen einen brief geschrieben, man hat ihm
Marien empfohlen.«
    Doch
besonders gründlich, als wäre der gegenwärtig drohende Verlust zu riechen
gewesen, hat man sich um den wohlklingenden Genitiv gekümmert: »lasz dirs nicht
übel gefallen des knaben und der magd halben.« Das steht im ersten Buch Moses.
Bei Jeremias ist zu finden: »dasz wir nicht hunger brots halben leiden müssen.«
    Nun
aber soll es sich mit den Artikeln gehabt haben, wenngleich sie selbst bei
falschem Gebrauch ihre wohlklingende Bestimmtheit wahren und ich Beispiele
genug wüßte, das alltägliche Gerede zu beleben. Da aber den Spaziergängen der
Brüder durch den Berliner Tiergarten, solange das sonnige Herbstwetter des
Jahres sechsundvierzig anhält, kein Ende abzusehen ist und Wilhelm vorerst mit
fordernder Hilfe seines Bruders dem Buchstaben D treubleiben will, möchte ich
nunmehr von dem Einsilber der auf dererlei, derart, dergleichen kommen und dabei
dem Zeitverlauf Rechnung tragen, denn derweil das Dasein der Grimms, wenn man
vom Frankfurter Germanistentag absieht, ohne bedenkenswerte Ereignisse auskam,
geschah andernorts viel.
    Zum
Beispiel war Hoffmann von Fallersleben mal hier, mal da. Im Mecklenburgischen
will man ihn gesehen haben. Das bezeugen Berichte der Geheimpolizei. Derweil
gab er vierzig neue Kinderlieder in Druck, unter ihnen das Lied vom Mond: »Wer
hat die schönsten Schäfchen...« Und gleichfalls nach seiner Melodie wurde,
wohin er auch kam, gesungen: »O, wie ist es kalt geworden und so traurig öd und
leer!« In welche Zuflucht es ihn trieb, immerfort hatte er Spitzel an der
Hacke. Nirgendwo war ihm längere Bleibe sicher. Dennoch sammelte er derweil,
wenngleich auf anderem Feld als die Grimmbrüder, Wörter der Gauner- und
Spitzbubensprache, aus dem Rotwelsch, nach dessen Redeweise Galgennägel für
Mohrrüben steht und der Ratsrutscher Bürgermeister ist. Später ließ er ermüdet
von der Politik ab, heiratete eine achtzehnjährige Ida, bei der er endlich Ruhe
fand.
    Derweil
hatte sich alle Hoffnung, die in den backenbärtigen Friedrich Wilhelm gesetzt
worden war, verflüchtigt oder besser gesagt, in blauen Dunst aufgelöst.
    In
Bettines Buch, das dem Titel nach noch immer darauf beharrte, dem König zu
gehören, wird jener kaum geblättert haben. Bestimmt ist ihm dessen Anhang, der
Armenbericht des jungen Schweizers, nicht lesenswert gewesen. So entging ihm
das derweil wachsende Elend vor den Toren seiner Hauptstadt. Und auch den
Grimmbrüdern ist, da Bettine sie nicht mehr mit schlimmer Nachricht bedrängt,
die Not der bettelnden Weber, Invaliden und rachitischen Kinder entgangen,
desgleichen die fernab wütende Kartoffelpest und der Hungertod
hunderttausender Iren.
    Nach
dem Frankfurter Germanistentag kränkelte Wilhelm häufig, das Herz, sein Magen,
sein Gemüt. Jacob hielt derweil über die Köpfe der Studenten hinweg Vorlesungen
aus seiner Grammatik und begann rückgewendet die Geschichte der deutschen
Sprache zu schreiben.
    So
ging das Jahr sechsundvierzig zur Neige, ohne daß Bedeutendes geschah, wenn man
vom Elend absieht, das sich derweil verbreitete.
    Derweil
kümmerte die Arbeit am Wörterbuch vor sich hin, doch immerhin hatte Wilhelm zum
Stichwort Ding ein knappes Flemingzitat gefunden: »lieb ist ein groszes ding«.
    Derweil
blieb Bettine aufsässig, weshalb ihr der Magistrat von Berlin den Prozeß
machte, worauf sie zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Der wenig
geliebte Schwager Savigny mußte ihr aus der Patsche helfen. Einige ihrer Kinder,
so der Sohn Siegmund, schämten sich der Mutter.
    Derweil
litt in England Charles Darwin unter würgendem Brechreiz und Kopfschmerz,
veröffentlichte aber dennoch Erkenntnisse, die er vor Jahren von seiner Reise
mit der »Beagle« aus dem urzeitlichen Zoo der

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