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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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abzuverlangen.
     
    Wilhelm
kennt das strenge Maß brüderlicher Liebe. Nachdem sich beide über die so oft
nachzuweisende Märchenzahl ausgetauscht haben, schweift er nicht ab, sondern
bleibt auf die drei versessen. Kaum auf den Weg gemacht, diesmal in Richtung zu
einem einsamen Teich, den nur selten Spaziergänger finden und an dessen Ufer
ihm eine sich spiegelnde Trauerweide besonders lieb ist, fällt ihm des
Schusters Dreibein ein, darauf das Dreieck und mit ihm jener Hut, von dem es im
Lied heißt, er habe drei Ecken, weshalb er Dreispitz genannt wird. Auf
dreierlei kommt er und erinnert sich, daß Opitz und Fleming von »dreimal dreien
Schwestern« geschwärmt hatten. Dem kann ich zustimmen, sind doch alle Frauen,
denen ich nah war und bin, jeweils Dreimädelhäusern entsprungen.
    Nun
erklingt Wilhelm ein dreigestrichenes D. Und von der Dreifaltigkeit leitet er
die Dreifaltigkeitsblume ab; so hat vormals, ihrer Vielfarbigkeit wegen, das
Stiefmütterchen geheißen. Doch während er auf seinem Weg weiterhin Beifügungen
zur Zahl drei sammelt und vom dreiarmigen Leuchter auf den Dreierbund kommt,
beginnt er sich gedanklich auf die Artikel der die das vorzubereiten.
    Eigentlich
will er deren dünkelhaften Eigensinn und irrwitzige, auf wenig bis nichts
gründende Anwendung dem grammatischen Vielwissen des Bruders überlassen, denn
Jacob sind Folgerungen wie, wenn der Fuchs die Gans stehlen will, hilft nur das
Schießgewehr, unbedenklich, doch bevor er gedenkt, ihm später die spaltenlangen
Ausführungen über maskulin, feminin, das Neutrum anzudienen, bezweifelt er
die zufällig waltende Laune bei jeweils zu treffender Wahl und als richtig zu
deutender Zuteilung der Artikel; desgleichen drängt sich mir die Frage auf:
    Wie soll Mehmed,
    der in einer Duisburger Hauptschule
    zwischen einheimischen Kindern
    und Kindern fremdländischer Herkunft schulpflichtig
ist,
    auf Anhieb begreifen,
    weshalb
es, nachdem gelernt werden mußte,
    der
Mond, die Sonne, das Himmelreich zu sagen,
    auf
deutsch der, die oder das Yoghurt heißt,
    zumal
dieses der Diät dienliche Produkt türkischen Ursprungs ist?
    Wie
anderen Kindern auch fällt es ihm schwer,
    vor
Leib, Seele, Fleisch die Einsilber zu setzen.
    Aber
die deutsche Leitkultur will so. Die Artikel sind deutsches Erbe.
    Wer hier leben will, muß das wissen.
    Der Deutsche an sich läßt nicht mit sich spaßen.
    Deshalb
verlangen selbst diejenigen, die unverbesserlich den mit dem verwechseln, dem
Türkenkind ab, daß die und nicht der Wurst gekauft wird, auch dann nicht, wenn
das Wurstbrot gemeint war, das entweder die Katze oder der Hund gestohlen hat.
     
    Kein
Wunder, wenn sich Jacob Grimm auf Wunsch des Bruders nicht nur gedanklich mit
dem Gebrauch der Artikel befaßte und später achtundzwanzig Seiten, also
doppelt so viele Spalten für seine Einführung benötigte, um durchs Dickicht
aller von der die das abgeleiteten Pronomen zu kommen. Um deren Gebrauch und
Wegfall ging es. Schneisen mußte er schlagen, dem Wildwuchs Lichtungen
abnötigen.
    Natürlich
bedurfte es vieler Zitate und Quellenangaben, um einen Aufwand zu begründen,
der der deutschen Sprache eigentümlich ist. Wenn heutigentags verkündet wird,
daß »der Dativ dem Genitiv sein Tod« sei, so waren zu Zeiten der Grimms die
Wörtchen des und dessen noch quicklebendig.
    Was
alles geregelt ist. Mir jedoch gefällt es, auf Eigenartigkeiten zu kommen. So
finde ich in dem einführenden Text die Verdoppelung der Artikel verstärkend in
Ausrufen: »die nichtswürdige, die! das ungezogene kind, das!« Und Goethe läßt
rufen: »der balg, der!«
    Nicht
gerade sparsam gehen Dichter mit dies und das um, etwa Rückert: »so lang mir
mochte dies und das an dir gefallen.« Desgleichen Mörike: »ich denke dies und
denke das.«
    Selbst
die Berührung zweier gleichlautender Pronomen wird nicht gescheut. Deshalb
steht: »er ist der, der sich ausgezeichnet hat. ich sah die, die ich suchte,
ich nahm das, das sie ausgewählt hatte.«
    Lang
ist die Reihe, die ohne Artikel bleibt, so daß es häufig, wie Wilhelm mit
Jacobs Zustimmung findet, zu bildlichen und sprichwörtlichen Redensarten
kommt. Wir sagen noch heute: In Bausch und Bogen. Mit Ecken und Kanten. Jemand
ist weder Fisch noch Fleisch. Ferner spucken wir Gift und Galle, verlieren Haus
und Hof, verreisen mit Kind und Kegel, werden mit Stumpf und Stiel vertilgt und
gehen unter mit Mann und Maus.
    Von
Dichtern wird ohne Artikel sogar der Reimzwang bedient: Dach und Fach, Lug

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