Grass, Guenter
gelobten jungen Leute, deren Namen nicht
überliefert sind, denen aber das Leipziger Verlagshaus monatlich in
Reichstalern Lohn zahlte, der umgerechnet in heutiger Währung bei etwa tausend
Euro lag, von immer mehr Belegzetteln zugeschüttet, weshalb sie kaum bemerkt
haben werden, wie derweil die Zeit verging, was alles sich mittlerweile gestaut
hatte und demnächst entladen wollte.
Die
Revolution! Eine deutsche Revolution, die zwar von Frankreich ausging, wo sie
den Bürgerkönig wegfegte, doch in Berlin und anderswo von nur kurzfristigem
Erfolg war, schließlich verpuffte.
Gewiß,
in Wien mußte Metternich abtreten, und Preußens König gab wieder einmal eine
traurige Figur ab, als er von revoltierenden Bürgern gezwungen wurde, vor den
im Schloßhof aufgebahrten Leichen des 18. März den Hut zu ziehen und barhäuptig
die Toten der Revolution zu ehren; viel Geschrei und Pulverdampf, mehr geschah
nicht.
Der
vierte Friedrich Wilhelm verdrückte sich verängstigt nach Potsdam, von wo aus
er einen Aufruf »an mein Volk und die deutsche Nation« mit dem Versprechen
erließ, »Preußen geht fortan in Deutschland auf«.
Dem
aber folgte nur, daß in Berlin Truppen einmarschierten, wie späterhin in
Sachsen, Hessen, Baden und anderswo preußische Militärgewalt zum Zuge kam:
Volksaufstände wurden niedergeschlagen, demokratisches Begehren, wo immer es
laut wurde, unterdrückt.
Wo
aber ist der Anteil der Brüder Grimm an der achtundvierziger Revolution zu
finden? Gewiß nicht auf oder hinter Barrikaden, die in Berlin an vielen
Straßenkreuzungen und am Alexanderplatz umkämpft waren. Auch wäre es
vergeblich gewesen, sie in Bettines Wohnung zu suchen, wo Republikaner einander
begegneten, um sich hernach am Rande des Tiergartens, auf dem Platz an den
Zelten, in hitzigen Debatten zu erregen. Entschlüsse kamen aufs Papier:
druckfertige Forderungen und Drohungen. Der Name der Grimms zierte keine der
vielen revolutionären Deklarationen.
Theodor
Fontane, der sich als Dichter preußischer Heldengesänge nur halbherzig zu den
Aufständischen zählte und eher spielerisch mit einem angerosteten Gewehr rumfuchtelte,
hat Jacob Grimm bei einer Volksversammlung reden hören: schön anzusehen sei er
gewesen mit seinem schlohweißen Haar, und wohlklingend habe er gesprochen,
allerdings ohne zur Sache gekommen zu sein.
Wilhelm,
der sich betont königstreu gab, wünschte sogar ein Gesetz, »welches die
verruchten Placate und fliegenden Blätter unter Aufsicht stellt. Der
democratische Club läßt nicht ab täglich damit zu stacheln.« Dann empört er
sich noch über einen populären Schriftsteller, beschimpft »Glaßbrenners
Krakehler«, räumt aber ein: »Dabei hat er Witz und unter dieser Form geht bei
dem Berliner alles ein.«
Soviel
und noch mehr Abfälliges steht in einem Brief, an Jacob gerichtet. Der sitzt
seit Ende Mai als gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Essen-Mülheim in der
Frankfurter Paulskirchenversammlung, die bemüht ist, dem wie auch immer
geeinten Deutschland eine Verfassung zu geben. Dort sieht er gehäuft Philologen
und Historiker wieder, denen er im Vorjahr beim Lübecker Germanistentreffen
begegnet war. Auch drei der Göttinger Sieben, Dahlmann, Gervinus, Albrecht,
zählen zum Paulskirchenparlament. Ganz vorne sitzt Jacob Grimm neben Ludwig
Uhland. Beide gehören keiner Fraktion an. Wenngleich von links wie von rechts
hochverehrt, bleiben sie ohne Einfluß auf das parlamentarische Geschehen,
schmücken aber immerhin die sonst eher graustichige Versammlung.
Er
leidet unter dem Frankfurter Aufenthalt, was ich dem Briefverkehr zwischen den
Grimmbrüdern ablese. Zudem vernimmt Jacob, daß in Berlin Wilhelms Frau Dortchen
und die Tochter Auguste abwechselnd krank sind und deshalb zur Kur nach
Heringsdorf an die Ostsee reisen wollen. Auch ist vermerkt, daß nach dem Ende
der Barrikadenkämpfe die Wertpapiere an der Börse ihren Kurs steigern und daß
der König von Preußen, nach Wilhelms Meinung, »den besten Willen und die edelsten
Absichten für Deutschland« hat.
Jacob
aber mißtraut den Prahlreden des Königs, schreibt er doch an den Bruder: »ich
wünsche wahrlich nicht den democraten den sieg, aber ein waches volkselement,
das etwas durchgesetzt hat und eine neue auferbauung des Vaterlands lässt sich
doch nicht leugnen und der bitte ich gott den sieg zu verleihen.«
Nebenbei
handeln die Briefe vom in Berlin tobenden Fahnenstreit zwischen dem
Schwarzrotgold der Republikaner und dem
Weitere Kostenlose Bücher