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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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zweiundfünfzig die Weidmannsche Buchhandlung verläßt,
worauf der Verlag als Hirzel-Verlag Geschichte macht, fallen bald darauf Setzer
und einige Buchdrucker aus, andere kommen und gehen, Hildebrand bleibt. Und
doch reagiert Jacob unwirsch auf des Verlegers briefliche Bitte, bei der
Danksagung im Vorwort zum ersten Band seinen Mitarbeiter namentlich zu nennen
und zudem als Pädagogen auszuweisen: »es stimmt durchaus nicht zu dem stil
meiner vorrede, dasz ich Hildebrand als lehrer an der Thomasschule bezeichne,
höchstens läszt sich für den fall, dasz es mehrere Hildebrande zu Leipzig gäbe,
der vorname beisetzen.«
    Seine
wachsende Kinderschar, zwei Söhne, zwei Töchter mußten ernährt werden. Vor
einigen Jahren, als Emmy, das erste Kind, geboren wurde, war durch dieses
freudige Ereignis der Abgang von Korrekturbögen verzögert worden. Was dem
Verlag Arger einbrachte. Die Setzer hatten Grund zu klagen. Schon bald aber
tilgte der junge Vater wiederum Druckfehler, stellte, an den Rand des
Satzspiegels geschrieben, gescheite Fragen, wußte ungefragt Rat, indem er Vorschläge
machte, unter denen neunmalkluge glänzten, andere nur Keimlinge bloßer Laune
waren.
    Aus
seiner Feder ist ein Kinderliedchen überliefert, von dem man nicht recht weiß,
ob es, außer für den Hausgebrauch der Familie, dem noch fernen Buchstaben S
oder eher dem übersprungenen I gewidmet ist.
    Sellerie, Sellerie,
    schmeckt mir wie,
    riecht nach Windeln, wie Pipi,
    wie nach Vaters Ironie,
    man weiß nie,
    soll man lachen oder wie,
    irgendwie, irgendwie,
    bis er Emmy übers Knie,
    bis sie schrie, bis sie schrie,
    ich will nie,
    nie und nimmer will ich
    nie essen Pappis Sellerie.
    Aus
vielerlei Gründen, von denen einer sich auf die skurrilen Einfälle seines
Mitarbeiters berief, ahnte Hirzel schon früh, daß ihm mit Hildebrand mehr als
nur ein Korrektor zur Seite stand. Schonend bereitete er den älteren Grimm auf
den zukünftigen Bearbeiter von Buchstaben vor, ohne daß ausdrücklich vom K die
Rede war.
    Als
dann aber noch ein Karl Weigand, der sich, um Jacob zu gefallen, vor Jahren öffentlich
mit kruder Polemik gegen die Kritiker des ersten Bandes ausgelassen hatte, für
den einen oder anderen Buchstaben vorgeschlagen wurde, weigerte sich jener,
beide zu Beginn des dritten Bandes bekannt zu machen: »besser ists dasz ihre
namen erst verlauten sobald sie wirklich auftreten, ich kann weder über Hildebrand
noch Weigand jetzt schon genau urtheilen, der letzte ist ein uns zugethaner,
redlicher, arbeitsamer mann, vielleicht aber besitzt er nicht die nöthige
kraft.«
    Offenbar
ignorierte er Weigands Attacken, die den Wörterbuchkritiker Wurm zum
Verstummen gebracht, weil niedergemacht, und Daniel Sanders als
mecklenburgischen Provinzler abgetan hatten, indem er Zweifel äußerte, »ob in
den Adern des in seinem Tadel wahrhaft Unermüdlichen auch nur ein Tropfen
deutschen Blutes fließe«. Als sei er verflucht, wurde Sanders von dem sich
rasserein wähnenden Philologen als Jude an den Pranger gestellt.
    Damit
wollte sich Jacob nicht gemein machen. Oder sah er sein Tun und Lassen
mittlerweile aller Kritik enthoben, jenseits des lärmigen Alltags? Außerdem
wird ihm Starrsinn geraten haben, seinen Abgang ohne geeignete Nachfolger zu
sehen.
    Doch
Hildebrand war nicht zu beirren. Trotz melancholischer Einbrüche - er galt als
Hypochonder - blieb er weiterhin mit dem Wörterbuch verklammert und sammelte,
sobald Lieferungen zum F ausblieben, mit gleichbleibendem Fleiß Belege fürs K:
Krempel, Keller, Kreuz, Zitate zu Kehle, kehlig, dem Kehllaut.
    Jacob
hingegen hielt nach dem Tod des Bruders Abstand zum weitläufigen Wortartikel
Feld, zur Feldameise, dem Feldarzt und den Feldflüchtern, jenen Tauben, die
morgens den Schlag verlassen, feldflüchtig sind, die er sogar bei einem
Zeitgenossen, Fritz Reuter, auf Plattdeutsch gefunden hatte und die zwischen
den Stoppeln meiner Romane einschlägige Zitate picken, sich den Kropf füllen
könnten.
    Nicht
mehr auf Fundsachen aus, nahm er seinen hinfälligen Zustand zum Anlaß und
beendete die langsam zu Papier gekommene »Rede über das Alter«, die er
wiederholt, zuerst wie üblich nur vor Akademiemitgliedern, dann anläßlich
einer öffentlichen Feierstunde zum Geburtstag des zweiten Friedrich, der Große
genannt, am 26. Januar 1860 gehalten hat; womöglich bewog ihn die Absicht,
seinem Ende mit vielstrophigem Abgesang vorweg zu sein.
     
    Es
ging um das Alter an sich und um ihn. Eigentlich war dieses

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