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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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der falsch gekennzeichnete Graue in dem Farbengeschäft?«
    Ich hätte es mir denken können: Das hätte ich besser nicht gefragt. Sie hielt kurz inne, schnappte sich dann das nächstbeste Besteck vom Küchentresen und schleuderte es in meine Richtung. Es war eine Tranchiergabel, und mit einem Prrrr blieb sie im Türrahmen stecken. Entsetzt sah ich den Griff wenige Zentimeter neben meinem Kopf wedeln, dann wandte ich meinen Blick Jane zu, die mich so aufgebracht anstarrte, dass ich die Zornesröte auf ihren Wangen erkennen konnte. Hübsches Näschen hin oder her, Jane konnte sehr wütend werden.
    »Schon gut, schon gut«, sagte ich. »Wir sind uns nie begegnet.«
    Es klingelte. Normalerweise wäre es Aufgabe des Hausmädchens gewesen, an die Tür zu gehen, aber Jane machte keine Anstalten.
    »Ich, äh, öffne dann mal, ja?«
    Sie beachtete mich nicht weiter, deswegen verließ ich die Küche, kehrte gleich wieder um, zeigte auf die Gabel, die noch immer im Türrahmen steckte, und sagte: »Du würdest mich doch nicht wirklich einfach so umbringen, oder?«
    »Nein.«
    »Da bin ich aber froh.«
    »Nicht einfach so. Und vor allem nicht hier. Zu viele Zeugen.«
    Ich muss ziemlich erschrocken geguckt haben, denn sie gestattete sich ein trockenes Lachen auf meine Kosten.
    »Ein Witz, ja?«, sagte ich.
    »Ja.«
    Leider war es keiner, wie sich zeigte.
    Wieder hatte ich den Oberpräfekten erwartet, aber auch diesmal war er es nicht. Vor der Tür stand eine runzlige alte Frau mit zwei rosa Apfelbäckchen und einem fröhlichen Grinsen. Sie hatte ein Kleid an, das in meinen Augen burgunderrot war, doch tatsächlich war es natürliches Purpur, ich sah nur die rote Komponente darin. Sie trug ein helles synthetisches Purpur-Farbkennzeichen, darunter mehrere Meriten-Etiketten und eine Oberpräfekten-Marke, verkehrt herum, Zeichen dafür, dass sie früher mal die Geschicke des Dorfes gelenkt hatte. Instinktiv richtete ich mich ein bisschen auf. Die Frau hielt eine Torte in den Händen, einen einfachen Biskuitteig ohne Marmeladenschicht, dafür mit dem ungeheuren und sagenhaften Luxus einer einzelnen hellroten, kandierten Kirsche auf einer perfekten Decke aus weißem Zuckerguss.
    »Sind Sie der neue Mustermann?«, fragte sie ungläubig. »Sie sind ja kaum den kurzen Hosen entwachsen.«
    »Sie meinen wohl meinen Vater«, antwortete ich. »Er knöpft sich gerade zusammen mit Mrs Schwefel die Grauen Simulanten vor. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    »Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass die Mustermänner immer jünger werden«, seufzte sie, als hätte es meine Richtigstellung nicht gegeben. »Willkommen in Ost-Karmin.«
    Ich bedankte mich, und sie sagte, ihr Name sei Witwe von der Malve, sie könne sehr viel Purpur sehen und sei unsere Nachbarin. Nachdem sie mir lang und breit eine rührselige Geschichte über einen tödlichen Arbeitsunfall erzählt hatte, der dazu geführt habe, dass nun drei Haushalte verzweifelt eine Putzfrau suchten, fragte sie mich, ob ich die Biskuittorte haben wolle.
    »Das ist sehr nett von Ihnen«, antwortete ich und nahm ihr die Torte ab. »Und auch noch mit einer Kirsche! Wie schön! Möchten Sie nicht hereinkommen?«
    »Nicht unbedingt.«
    Sie besann sich einen Moment und beugte sich dann vor. »Da Sie neu hier sind, ist es nur recht, wenn ich Sie vor Mrs Lapis-Lazuli warne.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Sie ist eine geborene fäulnissprühende Diebin und Lügnerin, trotz ihrer zuckersüßen Worte und geheuchelten Großzügigkeit, und dem Dorf wäre besser gedient, wenn sie Seife wäre.«
    »Sie mögen sie also nicht?«
    »Ich bitte Sie. Wie kommen Sie darauf?«, empörte sich Witwe von der Malve. »Sie ist eine meiner engsten und liebsten Freundinnen. Sie und ich führen Buch über Puka-Sichtungen. Haben Sie in letzter Zeit welche gesehen?«
    »Nein, in letzter Zeit nicht.« Und ich hatte auch nicht gedacht, dass sich eine ehemalige Oberpräfektin mit diesen kindlichem Hirngespinsten beschäftigte.
    »Außerdem leiten wir die Reenactment-Gesellschaft von Ost-Karmin. Möchten Sie nicht Mitglied werden?«
    »Was spielen Sie denn nach?« Es war eine verständliche Frage, denn es gab nicht allzu viele Ereignisse, die man überhaupt nachspielen konnte, außer Szenen aus Munsells Leben, was einfach zu langweilig war, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden.
    »Jeden Dienstag spielen wir den vorherigen Freitag nach, und der Samstagmorgen wird am darauffolgenden Donnerstag nachgespielt. Es macht Spaß, wenn sich

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