Grau - ein Eddie Russett-Roman
also etwas dauern. Von den zwölf, die hier bei uns wohnen, entspricht keiner der Beschreibung und dem Alter. Purpurne werden zu Recht nicht damit behelligt, sich zu verifizieren, deswegen wissen wir nicht, wann er angekommen ist oder woher.«
»Tja, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen«, antwortete mein Vater.
»Gibt es sonst keine Hinweise?«, fragte Mrs Schwefel. »Etwas, das Sie uns freiwillig mitteilen möchten? Sie oder Ihr Sohn?«
»Nein«, sagte mein Vater.
Ich sah zu Jane, die mich genau beobachtete. Sie ahnte, dass ich von ihrer Verbindung zu dem Falschgekennzeichneten wusste, und bei jedem anderen hätte ich etwas gesagt. Mochte mein Vater ruhig behaupten, die Russetts seien keine Petzer – wollte ich bei Constance auch nur den Hauch einer Chance haben, dann brauchte ich jede Merite, die ich kriegen konnte. Sie aß gerne Schokolade, und die war teuer, besonders die mit coloriertem Kern. Jane zu verpetzen würde mir mindestens fünfzig Meriten einbringen.
»Nein, Sir.«
Jane gab sich nicht weiter mit dem Teegeschirr ab und verschwand leise aus dem Zimmer.
»Also gut«, sagte von der Malve. »Ich schicke ein Telegramm nach Zinnober, damit sie dort Bescheid wissen.«
Danach fielen sie in eine unverbindliche Plauderei. Mein Vater lehnte die Scones dankend ab, trank aber den Tee, und man unterhielt sich über Einradpolo und dass die Mannschaft von Ost-Karmin letztes Jahr auf der Gute-Laune-Messe Silber gewonnen hatte.
Jane kam mit einem Tablett herein, auf dem ein Zettel lag.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie in dem freundlichsten Tonfall, den sie aufbringen konnte. »Eben ist eine dringende Nachricht für Master Edward gekommen.«
»Für mich?«, fragte ich einigermaßen erstaunt. Ich bedankte mich, nahm den Zettel, las ihn und steckte ihn in meine Brusttasche. Jane machte einen Knicks und verließ wortlos das Zimmer.
»Möchten Sie einen Scone, Master Russett?«, fragte von der Malve, nachdem er und die anderen Präfekten sich die Bäuche vollgeschlagen hatten. »Sie schmecken wirklich gut.«
»Ungewöhnlich … würzig«, sagte Turquoise.
»Pikant«, ergänzte Amaranth.
»Sehr freundlich von Ihnen«, antwortete ich, »aber ich möchte lieber nicht, vielen Dank.«
Normalerweise esse ich Scones gerne, doch bei dieser Gelegenheit musste ich das Angebot ausschlagen. Auf dem Zettel, den Jane mir gegeben hatte, stand: Rühr die Scones nicht an .
Danach trugen wir uns ins Dorfregister ein. Name, Eltern, Postleitzahl, Feedback, Meritenkonto, unsere Farbe und wie ausgeprägt die jeweilige Wahrnehmung war. Mein Vater notierte seinen Stand, Rot: 50,23 %, und ich schrieb »ungeprüft« in die Rubrik. In der Spalte darüber hatte sich Travis Canary eingetragen. Er hatte die sehr renommierte Postleitzahl TO 3 4 RF , stammte also ursprünglich von der Honigbrötchen-Halbinsel, der traditionellen Heimat der Gelben. Sein Feedbackstand belief sich auf beachtliche 92 %, ein Vorzeigebewohner also – bis zu dem Moment, als er die Postsendungen angezündet hatte.
»Entschuldigen Sie unser Misstrauen«, sagte Amaranth, sobald wir das Register ausgefüllt hatten, »aber würden Sie sich bitte frei machen? Die Vorschriften.«
Wir knöpften unsere Hemden auf und zeigten ihm unsere Postleitzahlen, und er verglich sie mit unseren Meritenbüchern. Zur Nachprüfung sah er sich auch noch unsere individuelle Kodierung aus schwarzen und weißen Streifen an, die aus den Nagelbetten der linken Hand herauswuchs, und glich sie mit unserer Akte ab, was etwas länger dauerte.
Wir bestanden die Verifizierung, und die Präfekten überflogen kurz unseren Meritenstatus und Feedbackstand, die sie offenbar akzeptierten, da kein weiterer Kommentar erfolgte. Mein Feedback war mit zweiundsiebzig Prozent ganz ordentlich, mein Meritenstatus bescheidener. Abgesehen von der kürzlich verhängten Strafe für meinen Versuch, das Warteschlangensystem zu verbessern, habe ich mir nichts weiter zuschulden kommen lassen, daher mein Stand von 1260 Meriten. Zweihundert Meriten über den erforderlichen tausend, die man brauchte, um in den Genuss der vollen Bewohnerrechte zu kommen, war nicht gerade viel, aber immerhin. Damit hatte ich das Recht zu heiraten – sobald ich meinen Ishihara abgelegt hatte – , durfte mir beim Essen Nachschlag holen, eine gemusterte Weste tragen und noch einige andere Dinge. Mein Vater hatte sehr viel mehr Meriten, wie es sich für sein Alter, seinen Beruf und seinen Status als Senior-Aufseher gehörte.
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