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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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wenn der Rat das nächste Mal kommt.«
    Ich schlenderte zurück in die Küche, wo Jane gerade mit dem Abwasch angefangen hatte, und fragte sie, was sie in die Scones getan hatte.
    »Besser, du weißt es nicht. Und wenn du meinst, du hättest dir jetzt DasEine mit mir verdient, nur weil du mich nicht verpetzt hast, dann hast du dich geschnitten.«
    »Du verstehst mich völlig falsch«, wehrte ich mich. Es sollte sich anhören, als wäre mir nie auch nur der Gedanke an DasEine mit ihr gekommen.
    »Ja, klar«, sagte sie sarkastisch. »Als Nächstes willst du mir noch weismachen, du würdest dich für die Hochzeitsnacht aufheben.«
    »Das … wäre ja nicht das Schlechteste«, sagte ich gedehnt, und sie lachte. Nicht mit mir, sondern über mich. Es war demütigend. Ich wiederholte meine unbequeme Frage von vorhin, um sie in Verlegenheit zu bringen.
    »Wie hast du das heute Morgen geschafft, nach Zinnober hin und zurück?«
    »Gar nicht«, sagte sie. »Es ist nicht möglich. Und wir beide haben uns vorher auch noch nie gesehen. Klar?«
    »Du magst mich nicht, oder?«
    »Das wäre zu viel der Mühe«, erwiderte sie. »Gleichgültigkeit ist bei weitem einfacher. Pass auf: Du hast mir einen Gefallen getan, und ich habe dir einen Gefallen getan. Wir sind also quitt.«
    »Das kann man ja wohl schlecht miteinander vergleichen«, sagte ich. »Ich habe dich vor einer ganzen Latte unangenehmer Fragen bewahrt, und du hast mich nur davon abgehalten, die Scones zu essen.«
    »Wenn du wüsstest, was ich hineingetan habe, würdest du nicht so daherreden.«
    »Was … «
    »Ich bin fertig«, sagte sie, trocknete sich die Hände am Tuch ab und schickte sich an zu gehen. »Und wir beide sind auch miteinander fertig. Wenn du mich noch einmal ansprichst, breche ich dir den Arm. Eine Bemerkung über meine Nase, wie niedlich und stupsig sie ist, und ich bringe dich um. Glaub ja nicht, dazu wäre ich nicht fähig. Ich habe nichts zu verlieren.«
    »Aber du bist unser Hausmädchen. Was ist, wenn ich meinen Hemdkragen mal gestärkt haben will oder so?«
    Ich bereute diese Frage augenblicklich. Ich wollte einfach nur weiter mit ihr reden, um jeden Preis, doch meine Bemerkung klang bedürftig und wehleidig. Jane griff das sofort auf. Es war überdeutlich, wer hier das Sagen hatte. Jane strahlte eine natürliche Autorität aus, nicht die Art von Autorität, die einem zufällig in die Wiege gelegt wird, sondern etwas anderes. Jane hatte ein klares Ziel vor Augen, und sie besaß Stärke.
    Sie trat einen Schritt auf mich zu, starrte mich an und versuchte, wie ich meinte, zu ergründen, ob ich irgendwelche verborgenen Tiefen hatte. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass dem nicht so war, begab sie sich zur Tür.
    »Wenn du was von mir willst, schreib es auf einen Zettel.«
    Mit diesen Worten war sie verschwunden, und ich blieb ziemlich ernüchtert und ratlos zurück. Eigentlich hatte ich mir die Randzone irgendwie unkompliziert und einigermaßen engstirnig vorgestellt, doch in der kurzen Zeit, die ich nun hier war, schien sie mir heikler und komplexer als alles, was ich in meiner ereignislosen Existenz in Jade-unter-der-Limone je erlebt hatte. Zwei Dinge jedoch hatten sich zu meinen Gunsten entwickelt: Erstens hatte sich Janes Drohung, mir die Knochen zu brechen, vom Kiefer auf den Arm verlagert, was eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung war. Und zweitens, wichtiger noch, hatte mir mein Vater den Löffel des falschen Grauen gegeben. Und auf der Rückseite war, wie auf jedem persönlichen Löffel, die Postleitzahl eingraviert: LD2 5TZ .
    Jetzt wünschte ich, ich hätte sie ignoriert. Die stacheligen Greifarme des Yateveobaums fingen bereits an, sich zu neigen.

Tommo Fox
    5.3.21.01.002: Einmal zugewiesene Postleitzahlen bleiben lebenslang gültig.
    »Hallo«, sagte der Kerl, der eine halbe Stunde später vor der Haustür stand. »Bist du der junge Russett?«
    »Ja. Eddie.«
    »Ich bin Tommo Fox, dein Fremdenführer durch Ost-Karmin. Von der Malve hat mir aufgetragen, dir unsere tollen Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Bestimmt kannst du es kaum noch erwarten, was?«
    »Ich denke seit Wochen an nichts anderes mehr.«
    »Eigentlich ist Ost-Karmin ein Kaff«, sagte er, nachdem wir losgezogen waren. »Selbst die Kakerlaken halten das hier für eine Absteige. Freundschaft?«
    »Freundschaft.«
    Der Blitzableiter auf dem Flakturm war das ungewöhnlichste und dominierende Merkmal, das sofort ins Auge fiel, wenn man über den Marktplatz

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