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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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Frau Sausele?“, hakte Schell nach, obwohl er die Akte aufgeschlagen vor sich liegen hatte.
    „Herzversagen. Natürliche Todesursache.“
    „Kann es sein, dass die Frau ebenfalls nachts gestorben ist, und wieder der gleiche Pfleger anwesend war?“, sagte er mit provozierendem Unterton. Er hatte das letzte Berichtsblatt aufgeschlagen und festgestellt, dass die Nachtwachen ihre Eintragungen mit Rotstift machten.
    „Beides ist zutreffend“, antwortete Stur mit resignierter Miene.
    Schell warf Strobe wieder seinen vielsagenden Blick zu.
    „Das sieht aber schon ein bisschen merkwürdig aus, finden Sie nicht, Herr Stur?“, hakte nun auch Strobe nach. „Ein halbes Jahr kein Todesfall, dann drei in zwei Wochen, alle während der Nachtschicht ein und desselben Pflegers.“
    „Vier Todesfälle. Der vierte während der Frühschicht des gleichen Pflegers“, ergänzte Schell unnötigerweise.
    Michael Stur runzelte die Stirn und tupfte sich den Schweiß von derselben. „Ich sagte ja, Herr Linde hatte wirklich sehr viel Pech. Er ist einer der besten männlichen Pflegekräfte hier im Haus, wenn nicht sogar der Beste. Er ist verantwortungsbewusst, einfühlsam, hat ein enormes medizinisches Wissen und ausgezeichnete behandlungspflegerische Fähigkeiten, die er oft anwenden kann. Ich würde sogar behaupten, dass er schon mehreren Bewohnern durch schnelle und korrekte Entscheidungen das Leben gerettet hat. Nebenbei ist er mit seiner ruhigen, netten und fröhlichen Art bei allen beliebt, bei Mitarbeitern und Bewohnern.“
    „Scheint ja der Liebling des Hauses zu sein“, lästerte Schell.
    „Er hat bei allen einen guten Ruf“, bestätigte der Pflegedienstleiter gleichmütig.
    „Keine Anzeichen von Überforderung oder Unzufriedenheit?“, bohrte Schell weiter. „Das Burn-out-Syndrom ist doch wohl auch in der Pflege bekannt. Das kommt sicher nicht nur bei der Polizei vor.“
    „Es gab wirklich keine Anzeichen.“
    „Hat er Überstunden?“
    „Nicht mehr als andere.“
    „Wie viele sind das?“
    Stur blickte kurz nach oben. „So zwischen zehn und fünfzig schieben die Fachkräfte schon zeitweise vor sich her. Die werden aber innerhalb eines halben Jahres abgebaut. Und die Stationsleitungen sind angehalten, darauf zu achten, dass das Limit, wie gesagt, um die fünfzig Stunden, nicht überschritten wird. Das hat bisher immer funktioniert.“
    „Hatte er private Probleme?“, schaltete Strobe sich ein.
    Stur blähte seine ohnehin schon runden Wangen auf und antwortete schließlich lakonisch: „Nicht, dass ich wüsste.“
    „Ist Ihnen bekannt, wie dieser Herr Linde über Sterbehilfe denkt? Hat er mal was geäußert?“
    „Nein. Das war in unserem Haus noch kein Thema. Sterbebegleitung ja. Aber nicht Sterbehilfe. Selbst bei den Patienten im Wachkoma nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu betreuen und zu pflegen, wenn nötig im Sterben zu begleiten, aber nicht, ihr Leben zu verkürzen. Weder aktiv noch passiv. Und was Herrn Linde betrifft, wie ich schon sagte, der hat schon des Öfteren durch schnelle richtige Entscheidungen und beherztes Eingreifen Menschenleben gerettet. In einem Pflegeheim kommt es immer wieder zu Notfällen, und da ist ein kompetenter Krankenpfleger wie er ein Glücksfall.“
    Während der gesamten Lobeshymne des Pflegedienstleiters waren seine Daumen äußerst aktiv. Er schien zu merken, dass er ein wenig vom Thema abgekommen war, und brach ab.
    Schell schob sofort die nächste Frage nach: „Er ist also immer ausgeglichen, nie aggressiv oder gereizt?“
    „Natürlich ist auch Herr Linde nicht jeden Tag gleicher Verfassung. Er ist auch nur ein Mensch. Aber er würde nie einem Bewohner in irgendeiner Weise Schaden zufügen, weder aus böswilligen Motiven, noch aus Mitleid.“
    „Wie ist das allgemeine Arbeitsklima? Gibt es andere Mitarbeiter, die überfordert sind oder vielleicht gemobbt werden?“
    „Es gibt wie überall Meinungsverschiedenheiten und Konflikte. Aber allgemein ist das Arbeitsklima bei uns sehr gut. Das liegt auch daran, dass die Arbeitsbedingungen bei uns besser sind als in den meisten anderen Heimen. Die Bezahlung ist tariflich. Die Fachkraftquote liegt bei uns bei fast sechzig Prozent, der Personalschlüssel bei 2,3. Das spiegelt sich auch in unserem ausgezeichneten Ruf, der geringen Fluktuation bei Mitarbeitern und den langen Wartelisten für eine Heimaufnahme wieder.“
    „Allgemein ist das Arbeitsklima also gut. Und im Speziellen?“
    „Es gibt kein Mobbing bei uns.

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