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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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Wenn ich erfahre, dass ein Mitarbeiter sich unseren Bewohnern oder seinen Kollegen gegenüber nicht so verhält, wie wir das erwarten – und ich erfahre das! –, dann hat das sofort Konsequenzen für den Mitarbeiter. Ich kann Ihnen versichern, unsere Maßstäbe sind hoch, was das betrifft. Wir haben letztes Jahr einer Mitarbeiterin gekündigt, weil wir nicht mit ihrem Verhalten den Bewohnern gegenüber einverstanden waren.“
    „Den Namen und die Adresse dieser ehemaligen Mitarbeiterin bräuchten wir auf jeden Fall. Es könnte ja auch sein, dass der Anruf ein Racheakt war.“
    „Da muss ich in der Buchhaltung Bescheid sagen. Ich habe die Adresse nicht hier.“
    Schell schrieb wieder etwas auf seinen Notizblock. Strobe fragte: „Wie sieht das bei den Heimbewohnern aus; gibt es da jemanden, dem es zuzutrauen wäre, dass er zum Beispiel Frau Müller den Felsen runtergestoßen haben könnte?“
    „Oder jemanden, der nachts Kuchen oder Brötchen verteilt?“, fügte Schell hinzu, während Stur nachdachte.
    Schließlich sagte der Pflegedienstleiter: „Also Letzteres sicher nicht. Das mit Frau Müller ... Wir haben einen sehr robusten Bewohner, Herrn Eiche. Er ist früher öfter ausfällig geworden, hat mal einen Teller nach Pflegern geworfen oder Ohrfeigen verteilt. Der ist aber in letzter Zeit nicht mehr so gut zu Fuß. Es ist unwahrscheinlich, dass er so weit in den Wald läuft, noch dazu bei der Kälte.“
    „Unwahrscheinlich? Das war es bei Frau Müller auch!“
    „Ich frage sicherheitshalber auf Station A, ob er die ganze Zeit da war. Meistens sitzt er vormittags schläfrig im Aufenthaltsraum, weil die Beruhigungstabletten, die er für die Nacht bekommt, nachwirken. Und nachts ist er mittlerweile medikamentös so eingestellt, dass er sich von sieben Uhr abends an für zwölf Stunden nicht bewegt. Das war nötig geworden, weil er nachts in fremde Zimmer ging und die Nachtwachen ihn nicht in den Griff bekamen. Er konnte richtig gewalttätig werden. Aber das ist wirklich abgestellt worden.“
    Stur wirkte erschlagen. Strobe wollte noch das Hämatom ansprechen, das Schmidtke bei der Leiche von Frieda Müller festgestellt hatte, entschied sich aber anders. Er schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach zwei.
    „Wie lange sind die Mitarbeiter von der Frühschicht noch da?“, fragte er den Pflegedienstleiter.
    „Fünfzehn Minuten. Bis halb drei dauert die Übergabe.“
    Strobe wollte unter allen Umständen noch sämtliche an der Suche beteiligten Mitarbeiter befragen. Er ließ sich vom Pflegedienstleiter deren Namen und ihre jeweilige Station aufschreiben. Dann fragte er, wer am Morgen außer Frau Kirchner noch mit der Verunglückten zu tun gehabt hatte. Als Stur ihm mitteilte, dass Herr Linde die morgendliche Pflege bei Frau Müller durchgeführt hatte, murmelte Schell: „Wer denn sonst.“
    Er erntete von Strobe einen vorwurfsvollen Blick. Zu Stur sagte der Hauptkommissar: „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Ihr Musterpfleger fahrlässig oder gar vorsätzlich getötet hat. Aber wir müssen diesem Anruf nachgehen und uns mit Ihrem Personal unterhalten. Und deshalb schicken Sie uns jetzt bitte die Mitarbeiter hierher. Sie sollen einzeln herunterkommen. Zuerst Herr Linde, dann die Frau Kirchner und danach nacheinander der Rest des Suchkommandos von heute Morgen, auch die von den anderen Stationen. Die müssten dann vielleicht noch eine halbe bis eine Stunde im Haus bleiben.“
    Stur erhob sich und sagte: „Die werden sicher nicht begeistert sein. Aber was sein muss, muss halt sein.“
    „Allerdings. Wir sollten auf jeden Fall den Verlauf des Morgens bis zum Auffinden der Leiche zeitlich genau rekonstruieren. Dazu müssen wir jeden Beteiligten befragen, wann genau er wo war. Und dann haben wir noch ein paar Fragen, was den anonymen Anruf betrifft. Kann eine Weile dauern. Falls jemand dringend nach Hause muss, würde der oder diejenige allerdings demnächst eine Vorladung von uns bekommen.“
    „Ich gebe das so weiter.“
    „Morgen sind Sie uns wahrscheinlich schon wieder los“, wollte Strobe den gestressten Pflegedienstleiter beruhigen, der geknickt an der Tür stand, schränkte aber gleich ein: „Je nachdem, was die Obduktion und unsere Befragung ergeben.“
    Strobe verschwieg, dass es theoretisch weitere Obduktionen geben könnte, wenn nötig auch Exhumierungen von Verstorbenen. Denn der Pflegedienstleiter war schon geplagt genug. Und der Hauptkommissar hoffte selber, dass der Fall vor seinem freien

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