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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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da haben Sie Recht. Aber einige bleiben in diesem lethargischen und dumpfen Stadium und vegetieren einfach dahin. Aber sie sterben nicht. Können Sie sich das vorstellen? Sie stehen auf dem selben Fleck, starren mit toten Augen ins Leere und vertrocknen, bis sie irgendwann nicht mehr die Kraft besitzen, aufrecht zu stehen. Sie verfaulen bei lebendigem Leib.«
Die beiden Männer gingen weiter. Vor ihnen tauchte der Begrenzungswall auf.
»Parker ist kein schlechter Kerl, müssen Sie wissen«, griff Joshua nach kurzer Zeit das Gespräch wieder auf. »Sein Vorschlag, diese Menschen zu erschießen, entsprang eher einem Akt der Nächstenliebe.«
»Aber was ist mit den anderen? Denen, die sich verwandeln?«
»Die stellen ein größeres Problem dar. Sie mutieren zu solchen Kreaturen wie die, von denen sie gebissen wurden. Der Mensch wird vollkommen ausgeschaltet und lässt eine emotionslose, hungrige Bestie zurück, angetrieben von den niedersten Instinkten des Lebens. Vielleicht töten diese Monster deshalb nicht alle Menschen, die sie finden.«
»Damit ihre Art weiter existieren kann«, griff Wulf Stevensons Gedanken auf. Er spürte eine eisige Kälte, die seinen Magen zusammenschnürte.
Sie hatten die Betonwände erreicht und blieben in einigen Metern Abstand davor stehen. Die gutturalen Laute erschienen Wulf plötzlich wie das qualvolle Stöhnen gepeinigter Seelen in der Hölle.
»Und diese Menschen, die direkt hinter der Mauer stehen?«
Joshua starrte mit verbittertem Gesicht auf die hölzerne Tür. »Sie sind unseren Spuren gefolgt, nachdem wir sie gefunden hatten. Auch wenn es über eine Woche dauerte, aber irgendwann haben sie die Mauer erreicht. Und dort stehen sie jetzt und können nicht weiter.«
Wulfs Gedanken wirbelten in schwindeligen Kreisen. Die Vorstellung, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt Menschen standen, deren Leben und Identität vollständig ausgelöscht war, war zu viel für seinen Verstand. Er dachte an das kleine Mädchen unter dem Baum, das sie auf dem Acker gesehen hatten. Stand sie immer noch teilnahmslos in der Kälte und wartete darauf, dass ihr Körper irgendwann einmal zu geschwächt sein würde, um aufrecht zu stehen? Oder hatte sie sich mittlerweile in eine reißende Bestie verwandelt und die Spur zurück zu ihren Eltern aufgenommen?
»Was geschieht mit denen, die sich verwandeln?«
Wulfs Stimme klang schwach und brüchig.
»Sie laufen in die Stadt zurück, nachdem sie nicht nach New Eden gelangen können. Dort lauern sie in den Häusern oder verborgenen Gassen und beobachten uns.«
Joshuas Erklärung klang nüchtern, wie die eines Wissenschaftlers. Sie erzeugte ein kaltes Kribbeln auf Wulfs Haut. Hatte Christine in ihm eine angenehme, lange vermisste Wärme erzeugt, so warf ihn Joshua erbarmungslos in ein Meer kalter Wellen.
»Vielleicht war Parkers Gedanke doch nicht verkehrt«, dachte Joshua laut. »Moralisch vielleicht nicht vertretbar, aber auf die Sicherheit von New Eden bezogen, durchaus anzuwenden.« Er stemmte die Hände in die Hüften und zuckte mit den Schultern. »Wissen Sie, Jim. Auch wenn wir Soldaten sind und zum Töten ausgebildet wurden, so sind wir immer noch Menschen, ebenso wie diese armen Individuen auf der anderen Seite des Walls. Man kann sie nicht einfach abknallen, als wären sie nutzlose Tiere.«
Das Stöhnen schien lauter zu werden, als könnten die Infizierten die Anwesenheit der beiden Männer spüren.
»Wenn die Bedrohung für unsere Gemeinschaft zu groß wird, werde ich mit Parker nach Mayfield gehen und erledigen, was zu erledigen ist. Aber bis dahin haben wir eine andere Verwendung für diese Menschen.«
Wulf starrte den Soldaten an, denn als genau das sah er ihn in diesem Moment. Stevensons Stimme klang plötzlich hart und sachlich, als spräche er über eine verdeckte Operation, über die er nicht sprechen durfte.
»Was meinen Sie damit?«, fragte er langsam, wobei er jedes Wort betonte.
Ihre Blicke trafen sich. Zwei Männer, die dem Sterben getrotzt hatten und am Beginn einer neuen Zivilisation standen. Joshua senkte als erster den Blick, starrte auf die Straße und schien über etwas nachzugrübeln. Als er Wulf wieder ansah, war die Härte aus seinen Augen verschwunden.
»Kommen Sie, Jim. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
X
Demis Welt verschwamm. Ein grauer, verwaschener Film ließ ihre Sicht unwirklich erscheinen; zu groß, um von ihrem Verstand erfasst zu werden. Der Raum neigte sich zur Seite und kippte in einen bodenlosen Abgrund. In ihrem

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