Graues Land (German Edition)
ich nicht zu sagen, doch war ich Alan und Sheila für dieses Arrangement durchaus dankbar gewesen. Denn von diesem Abend an war Blau meine Lieblingsfarbe.
Es hat weitere zwei Tage gedauert, bis ich endlich den Mut gefunden hatte, Sarah über die Telefonnummer anzurufen, die mir Sheila mit einem Augenzwinkern zugesteckt hatte. Und weitere zwei Tage musste ich harren, bis ich endlich mit ihr durch die Straßen unserer kleinen Stadt schlendern konnte.
Wir sind auf dem Weg zu einem kleinen Restaurant, das mir Alan empfohlen hat.
Wenn ich daran denke, Sarah beim Essen gegenüber zu sitzen, bekomme ich weiche Knie. Ich weiß, dass ich sie anstarren und mich wie ein kleiner, schüchterner Junge verhalten werde. Außerdem werde ich ihr Komplimente wegen ihrer herrlichen Augen machen, die sie alle schon hundertmal gehört hat. Und ich werde ihr meine Abenteuergeschichten aus dem Büro erzählen, bis sie sich gelangweilt von mir abwendet.
`Dieser Abend ist etwas ganz Besonderes in meinem Leben´, denke ich mir. Und gleichzeitig werde ich mit jedem Schritt, mit dem wir uns dem Restaurant nähern, nervöser.
So seltsam sich das auch anhören mag, aber ich will nicht, dass die beiden Schatten auf dem trostlosen Pflaster jemals wieder getrennt werden ...
Ein langgezogenes, unmenschliches Heulen lässt mich aufschrecken.
Verwirrt blicke ich mich um.
Die Kerze ist heruntergebrannt. Die Flamme der Petroleumlampe leuchtet ruhig. Die Schatten im Zimmer haben sich in ein vergessenes Grau gewandelt. Von Sarahs Bett kann ich ein leises Schnarchen hören. Ein Blick zum Holzladen vor dem Fenster bestätigt meine Vermutung, dass ich am Abend eingeschlafen sein muss und die ganze Nacht in dem Korbsessel verbracht habe.
Das Heulen ...
Erschrocken starre ich auf den grauen Spalt zwischen den Läden. Der neue Tag beginnt mit der gleichen Dunkelheit wie die Tage davor.
Fast eine Minute lausche ich angestrengt. Doch dieser unheimliche Laut, seit Tagen das Einzige, dass das Schweigen der Welt unterbricht, wiederholt sich nicht.
Mein kraftloser Blick fällt auf die Uhr an meinem Handgelenk. Das letzte Geschenk von Sarah. Ich drehe den Arm so, dass der gelbe Schein der Lampe auf das Glas der Uhr fällt. Fast acht Uhr, die Nacht ist vorüber. Am Tage hört man Sie nicht. Das Heulen muss von einer letzten verirrten Kreatur stammen.
Mein Blick fällt wieder auf Sarah. Sie wirkt friedlich. Ihre Brust hebt sich in langsamen Atemzügen. Dass ich in dieser Nacht nicht neben ihr gelegen habe, hat sie nicht einmal gemerkt. So, wie sie oft nicht einmal weiß, dass ich bei ihr bin. Oder dass sie noch lebt ...
Meine Knochen protestieren ächzend ob der langen Nacht im Sessel. So gerne ich mir auch einzureden versuche, für mein Alter relativ rüstig zu sein, so sehr werde ich in diesen Minuten Lügen gestraft. Es kostet mich eine gewaltige Anstrengung zum Bett zu gelangen, wo ich mich mit einem heiseren Stöhnen auf die Matratze fallen lasse.
Während ich mit der Hand den schmerzenden Rücken zu massieren versuche, blicke ich auf das friedliche, schlafende Gesicht von Sarah. Ihre Augenlider flackern. Ich frage mich, von was sie gerade träumt. Ist sie überhaupt noch dazu in der Lage zu träumen?
Die Haut über ihren Wangen spannt sich. Im Schein der Petroleumlampe und des dämmernden Morgens wirkt sie kränklich gelb. Ihre Lippen sind nicht mehr als eine zusammengekniffene Linie, trocken und rissig. Ein glänzender Speichelfaden rinnt aus ihrem Mundwinkel und läuft ihre Wange hinab zum Hals.
»Erzähl mir deine Träume«, flüstere ich und streiche ihr verschwitztes Haar aus der Stirn. Ich habe das Gefühl, harte Stahlwolle zu berühren.
Sie regt sich kurz unter meiner Berührung. Ihr Gesicht scheint sich mir entgegenzustrecken. Ein tonloses Keuchen entrinnt ihrer Kehle.
Ich denke an den Traum der Nacht zurück. Bruchstücke davon haben sich in meinem Unterbewusstsein abgesetzt. Sarahs Augen und unsere Schatten auf rissigem, grauen Asphalt. Meine Angst, mich ihr gegenüberzusetzen. Am meisten jedoch der unbändige Wunsch, dass sich unsere Schatten nie wieder trennen mögen.
Mit zitternden Fingern nehme ich ihre Hand in meine und drücke sie sanft. Ich weiß, dass ich zart mit ihr umgehen muss, denn ihr Körper ist zerbrechlich geworden, ein Schatten jener Sarah, an deren Stärke ich mich einst geklammert habe.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie meinen Druck erwidert. Doch mir ist bewusst, dass dies bloß Wünsche eines einsamen, alten
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