Graues Land (German Edition)
Schlafzimmer stehen. Das Ding, das einmal eine wunderschöne, geistreiche und charmante Frau gewesen war. Das Ding, das mich angefleht hat, es zu töten. Und ich kann den bitteren Gestank von Tod und Verwesung im Haus der Millers riechen. Vermischt mit dem beißenden Geruch von Pulver und sterbenden Fleisches, der sich wie ein Tuch über die Räume gelegt hatte, nachdem sich Danny den Kopf weggeblasen hat. Was ist, wenn Devon voll von Kreaturen wie Cindy ist? Oder, was mir noch schlimmer erscheint, was sollen wir tun, wenn sich die Höllengeschöpfe, die ich Shoggothen nenne, ihren Unterschlupf in der Nacht in den Häusern von Devon gesucht haben? Welche Chancen haben wir dann?
Es gibt nur einen Weg all dies herauszufinden, denke ich mir und erschrecke mich über die Kälte, die plötzlich durch meine Adern fließt. Vielleicht ist es auch einfach nur eine tiefe Resignation, die mich in ihrem Bann hält und meinen Verstand ausschaltet. Die Aussicht, in Devon den Tod zu finden, erscheint meinem Unterbewusstsein vielleicht zu verlockend, als dass ich noch Furcht vor dem Sterben empfinden könnte. Ich glaube, tief in mir drin, wo nie die Sonne hin scheint und sich die merkwürdigsten Gedanken und Gefühle in immerwährender Schwärze tummeln, weiß ich, dass es für die Menschen nur eine einzige Zukunft geben wird.
»Ich schlage vor, dass wir beide runter nach Devon fahren«, unterbricht Barry meine düsteren Gedankengänge, wofür ich ihm überaus dankbar bin.
»Jemand muss bei Demi und Mutter bleiben«, fährt er fort und blickt dabei Murphy an. An seinem erleichterten Gesichtsausdruck kann ich sehen, wie sehr ihm die Entscheidung meines Sohnes entgegen kommt.
»Ist das okay für dich, Dad?«
Unsere Blicke treffen sich. Am liebsten hätte ich Barry angefleht, den Vorschlag mit Devon zu vergessen. Ich will ihm vorschlagen, dass wir unser Haus in eine kleine Festung umbauen, jeden mit einer Waffe ausstatten und der Dinge harren, die in den Nächten auf uns zukommen würden. Ich will ihn anschreien und ihm verzweifelt mit meinen Fäusten gegen die Brust schlagen.
»Es ist die beste Lösung«, antworte ich stattdessen. »Wir können Sarah nicht alleine lassen. Und Demi mitzunehmen, halte ich in ihrem Zustand für nicht ratsam.«
Mein Blick fällt auf Murphy, der immer noch neben dem Fernseher steht. Er wirkt hilflos, als wäre er im Stehen eingenickt.
»Jemand muss unsere beiden Mädchen beschützen«, flüstere ich und zwinkere meinem alten Weggefährten zu.
Murphy nickt und lächelt.
»Du kannst dich auf mich verlassen, alter Mann.«
Wir nicken beide kurz, eine Geste, die sich in all den Jahren unserer Freundschaft zwischen uns eingeschlichen hat. Die so schlicht und lapidar ist, und doch mehr sagt als tausend unsinnige Worte.
Ich sehe mich im Zimmer um. Erst jetzt fällt mir auf, dass Demis Platz auf der Couch leer ist. Panik will in mir aufsteigen, doch Barry scheint meine Gedanken lesen zu können. Er hebt beschwichtigend die Hände.
»Demi ist wieder nach oben gegangen, zu ihrer Großmutter. Die beiden haben sich immer nahe gestanden. Ich dachte mir ...«
Ich lege meine Hand auf Barrys Arm.
»Eine gute Idee.«
Barry lächelt und blickt verlegen zu Boden. Bei einem Mann seiner Größe eine Geste, die fast schon lächerlich wirkt.
»Okay, wir sollten einen kleinen Plan machen«, flüstert er schließlich mit heiserer Stimme, geht zum Fenster zurück und sieht durch die Ritzen im Holz nach draußen.
»Du hast dein Gewehr, Dad. Und ich eine Pistole im Hubschrauber. Dazu haben wir Murphys Gewehr und ...« Er hält inne und blickt zu mir herüber. »Demi hat auch eine Waffe. Die werde ich ihr geben.«
Wir sehen uns an, doch ich erhebe keine Einwände. Zu kalt fließt mein Blut durch meine Adern.
»Ich habe ihr im Hospital das Schießen beigebracht.« Ein zaghaftes Lächeln huscht über sein Gesicht. »Sie ist ein kleines Naturtalent.«
Niemand antwortet oder widerspricht ihm. Damit ist es beschlossene Sache, dass meine kleine Enkelin, die ich noch bis vor fünf Jahren »Dreikäsehoch« genannt hatte, in Anspielung an eine alte Fernsehserie, die sie sich gerne ansah, wenn sie bei uns zu Besuch war, eine Waffe in Händen halten und vielleicht sogar mit ihr töten würde. Der Gedanke daran lässt meinen Körper in einen tiefen Eissee hinabtauchen. Doch diesmal zeugt die Kälte in mir nicht von Ruhe, sondern von lähmendem Entsetzen. Die Welt hat sich weitergedreht, denke ich frustriert und wende mich ab.
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