Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Entscheidung, ob es eine Rolle
spielt, mir überlassen könnt’n.« Nachdem sie wieder schweigend vor sich auf das
zerknüllte Tischtuch starrte, sollten Grantners Worte sie mit voller Wucht
treffen, obwohl er nur leise sprach: »Ich möchte Sie auch gar nicht mal fragen,
wie Ihr Porträtfoto in den Wohnwagen von Herrn Astor kommt.«
Das
saß. Larissa ließ das Tischtuch los, starrte ihn mit großen entsetzten Augen
an, in denen sich Zorn, Angst und Hass widerspiegelten. Ihr Schock über das
Gehörte war so groß, dass ihr die Worte fehlten.
»Ich
wollte Sie jetzt nicht erschrecken, gnädige Frau«, blieb Grantner ruhig und
deutete ein verständnisvolles Lächeln an. Er ließ ihr eine halbe Minute Zeit,
während der ihre Stimmung zwischen Empörung und blankem Entsetzen schwankte.
»Was
soll das?«, brachte sie schließlich im Flüsterton hervor, als habe sie Angst,
jemand außer Grantner könnte es hören.
»Keine
Sorge«, beruhigte Grantner. »Das alles geht uns vermutlich nichts an.« Er
beschloss, noch eins draufzusetzen: »Auch nicht Ihre Disco-Besuche.«
»Woher
wissen Sie das? Wer hat Ihnen das gesagt?« Jetzt hatte er sie aus der Reserve
gelockt.
»Wie
gesagt, all das ist für uns nicht von Belang«, fuhr Grantner unbeirrt fort. »Es
interessiert uns nur, was Ihren Vater bedrückt hat.«
»Sie
erpressen mich«, setzte Larissa zum Gegenangriff an. Er hatte sie tatsächlich
an einem wunden Punkt getroffen.
Grantner
war zufrieden, ließ sich seinen Triumph aber nicht anmerken. »Von Erpressung
kann keine Rede sein, gnädige Frau. Ich offenbare Ihnen nur unsere
Ermittlungsergebnisse, mehr nicht. Ich halte dies sogar für ein Gebot der
Fairness.«
»Fairness?«,
kam es zornig zurück. »Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie damit anrichten
können? Wer gibt Ihnen das Recht, auf diese Weise in die Privatsphäre meiner
Familie einzudringen?«
»Das
Recht gibt mir das Recht, gnädige Frau«, konterte Grantner. »Das Recht
verpflichtet mich aber auch zum Stillschweigen. Haben Sie also keine Sorge. Das
Prinzip von Ermittlungen besteht darin, nur so lang zu bohren, wie Unklarheiten
bestehen. Sobald wir feststellen, dass unsere Neugierde befriedigt ist, hat
sich die Sache erledigt.«
»Glauben
Sie denn, dass das so einfach ist – Sache
erledigt?« Sie flüsterte wieder. »Wenn von dem, was Sie hier gesagt haben, auch
nur ein einziges Wort an die Öffentlichkeit gerät, kann ich mich auch in die
Schlucht stürzen.«
»Da
wird nichts an die Öffentlichkeit geraten. Sobald ich hier aufstehe und gehe
und davon überzeugt bin, dass ich alles weiß, was für die beiden Todesfälle
wichtig ist, habe ich unser Gespräch vergessen.«
Larissa
holte tief Luft und schwenkte um. »Die Sache mit meinem Vater … okay … die
Sache ist’s eigentlich gar nicht wert, so hochgespielt zu werden.«
»Dann
bereden wir sie auch so, wie sie ist«, wurde Grantner wieder verständnisvoll.
Larissa
lehnte sich zurück, schloss für einen Moment die Augen und legte ihre Arme auf
die Seitenlehnen ihres Stuhles. »Mutti hat mir erst nach dem Tod meines Vaters
erzählt, dass ihn Albträume geplagt haben. Diffuse Schuldgefühle, völlig
irrational.«
Grantner
ließ sie reden, ohne eine Zwischenfrage zu stellen. Ihr ganzer Körper zitterte.
»Ganz
genau kann ich es Ihnen auch nicht erklären, wirklich nicht.«
»Lassen
Sie sich Zeit.«
»Es hat
mit seiner Familie zu tun. Mit seinem Vater.« Larissas Augen wurden feucht.
»Das wäre mein Großvater gewesen. Georg hat er geheißen. Georg Waghäusl.«
Grantner
entsann sich sofort der Ahnentafel, die ihm Häberle heute schon vorgelegt
hatte. Da war ein Georg Waghäusl drauf gewesen. 1919 geboren. Soweit er sich
entsinnen konnte, war der Stammbaum nur bis zu ihm zurückverfolgt worden.
»Dieser
Georg Waghäusl«, fuhr Larissa fort, »soll ein schreckliches Verbrechen verübt
haben.« Sie begann zu schluchzen. Tränen rannen über ihre Wangen. »Das hat aber
erst Mutti rausgefunden. Nach dem Absturz damals. Vati hatte das irgendwo
aufgeschrieben und selbst Nachforschungen angestellt.«
Grantner
brachte aus seiner Jacke eine Packung Papiertaschentücher zum Vorschein und
legte sie vor Larissa auf den Tisch. Sie nahm eines davon und wischte sich die
Tränen aus dem Gesicht. »Es ist alles so schrecklich. So furchtbar schlimm.«
Der
Chefinspektor räusperte sich verlegen. »Das muss aber schon ziemlich lang
zurückliegen. Es wird niemanden mehr geben, dem man einen Vorwurf machen
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