Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Tourismusmanager
beeindrucken. Die würden sogar gern den Wetterbericht beeinflussen, damit
dieser nicht allzu schlecht ausfällt und die Touristen abschreckt. Aber uns
werden sie nicht bei der Ermittlungsarbeit behindern.« Er lächelte überlegen,
wie dies nur ein Kriminalist tun konnte, der von auswärts kommt und sich um
örtliche Befindlichkeiten nicht zu scheren braucht.
Niedermaier
zog zerknirscht von dannen und musste sich eingestehen, dass es ungeschickt
war, die provinziellen Bedenken vorzutragen. Aber andererseits fühlte er sich
für die Sorgen seiner Mitbürger verantwortlich.
Platzko
wartete noch ein paar Sekunden, bis Niedermaier bei den Kollegen draußen
angekommen war, um dann etwas anzusprechen, was ihn seit diesem Wochenende
beschäftigte: »Ich bin kein allzu religiöser Mensch, aber wie halten Sie’s denn
mit dieser Weltuntergangsprophezeiung?«
»Der
21. Dezember?«, reagierte Grantner schnell. »Das hat nichts mit Religiosität zu
tun, sondern mit den Mayas. Vergessen Sie’s, Herr Kollege. Ich kann mich sicher
eines halben Dutzends Weltuntergangstermine entsinnen, die von irgendwelchen
Sekten oder einem selbst ernannten Messias angekündigt wurden. Und Sie sehen
ja, Herr Platzko: Hurra, wir leben noch. So wird’s auch diesmal wieder sein. Da
brauchen S’ keine Angst zu hab’n.« Er grinste entspannt. »Diese verrückten
Deutschen auf ihrer Hütt’n da ob’n verquicken irgendwie die Offenbarung aus der
Bibel mit diesen Endzeit-Theorien. Wenn Sie mich fragen: reiner Quatsch.«
Platzko
zögerte. »Ich hab mal in der Bibel nachgeschlagen – aber
das mit dem Buch mit den sieben Siegeln und den sieben Schalen des Zorns und
diesen Katastrophen und Qualen, die Gott angeblich als Zeichen für den
Weltuntergang schickt, öffnen den Spekulationen Tür und Tor.«
»Natürlich,
Platzko, wie so vieles in der Bibel. Alles eine Sache der Interpretation. Aber
nicht nur in der Bibel, das müssen S’ bedenken. Auch die angeblich großen
Propheten, wie der Nostradamus, haben sehr viel Wischiwaschi aufg’schrieb’n.«
»Ich
finde das jedenfalls alles spannend. Und ich geb zu, dass ich mich im
Religionsunterricht nicht so intensiv mit der Bibel auseinandergesetzt hab’ wie
jetzt in diesen Tagen.«
»Jetzt
übertreiben S’ mal net, Herr Kollege. Sie haben a bisserl auf den letzten
Seiten der Bibel geblättert – da können S’ net behaupt’n,
schon bibelfest zu sein.«
»Will
ich auch gar nicht. Aber vielleicht wär manches ein bisschen anders, wenn wir
Christen uns in der Bibel genau so gut auskennen würden wie die Mitglieder
anderer Weltreligionen in ihrer jeweiligen Literatur.«
»Sagen
S’ doch, dass Sie den Islam und den Koran meinen. Warum reden S’ denn um den
heißen Brei rum?« Grantner wurde richtig ärgerlich. Er hasste es, wenn Themen
nicht beim Namen genannt wurden.
»Weil
man doch vorsichtig sein muss, wenn man sagt, dass bei uns im christlichen
Abendland die Bibel das Maß aller Dinge ist.«
»Ob’s
das Maß aller Dinge ist, vermag ich nicht zu sagen – und
das will ich auch nicht. Aber wir brauchen sicher nicht klein beizugeben und
mit unserer übergroßen Liberalität unsere Bibel gleich über Bord werfen, bloß
wenn da jemand mit dem Koran winkt.«
»Das
würden Sie aber öffentlich so nicht sagen.«
Grantner wollte sich jetzt auf keine Grundsatzdiskussion
einlassen. Es gab in der Tat Themen, die auch in der Meinungsfreiheit einer
Demokratie nicht angesprochen werden durften, ohne dass die geballte
Medienmacht in seltener Eintracht massiv dagegen vorging. Grantner musste an
den Literaturnobelpreisträger Günter Grass denken, der erst vor wenigen Wochen
mit seinem Gedicht ›Was gesagt werden darf‹ etwas öffentlich angesprochen
hatte, was eben ganz offensichtlich nicht öffentlich gesagt werden durfte.
Grantner hatte mit großem Interesse verfolgt, wie sich die Kommentatoren auf
teilweise geradezu peinliche Weise drehten und wendeten, um plötzlich den
jahrelang prominenten Vorzeige-Linken zu kritisieren. Als dann jedoch auch noch
eine zweifelhafte islamische Gruppierung hunderttausendfach kostenlose
Koran-Ausgaben verteilte, hatten sich die Medien mit kritischen Kommentaren
auffällig zurückgehalten.
»Wir
können uns gern mal in einer stillen Stunde da drüber unterhalten«, versuchte
Grantner, seinen Kollegen zu besänftigen. Jetzt war nicht die Zeit, um über
weltpolitische Themen zu diskutieren.
»Ich
bin da über etwas gestolpert, worauf ich mir keinen
Weitere Kostenlose Bücher