Gray Kiss (German Edition)
dass ich dir das Leben retten kann.“
Ich biss die Zähne zusammen. Seine Worte waren scharf wie eine Klinge. „Spar dir die Mühe. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Was hier geschehen ist …“ Ich deutete mit dem Kopf in Richtung Club. „… zeigt ja wohl, dass ihr euch auf eure Mission konzentrieren solltet und nicht auf mich. In dieser Stadt sind viele Menschen in Gefahr. Ungefähr eine Million, wenn ich richtig informiert bin. Ich möchte nicht diejenige sein, die am Ende für euer Scheitern verantwortlich gemacht wird.“
Bishop erwiderte: „Das habe ich nicht gesagt.“
„Nein, aber ich.“ Ich schluckte die drohenden Tränen herunter. „Ich hab’s kapiert, Bishop. Ich bin ein Problem, mit dem du klarkommen musst. Und ein Teil von dir hasst mich dafür.“
Er sah mich ernst an. „Es war ein langer Abend. Du bist müde.“
Ich musste laut lachen. „Du hast recht. Ich bin müde. Mich ermüdet all das hier! Mich ermüdet, erfahren zu wollen, was du von mir denkst. Mich ermüden mein Hunger und die Tatsache, dass er mich zu dir treibt. Für mich ist das auch ein Problem, weißt du. Mein Leben war deutlich einfacher, bevor du aufgetaucht bist!“
Kraven und die anderen beschlossen klugerweise, sich nicht noch mal einzumischen. Sie zogen sich zurück und ließen Bishop und mich mit unserem Streit allein.
„Bist du mal wieder ehrlich zu mir?“, fragte er. „Während ich mich verschließe?“
„Schlimm, nicht wahr?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber dank dem Ausflug in deine Erinnerung versteh ich, warum du so geheimnisvoll tust!“
Er biss die Zähne zusammen und bekam einen irren Blick. Offensichtlich stand er kurz davor, seine so mühsam bewahrte Selbstbeherrschung zu verlieren. „Was damals geschah, geht dich nichts an! Weder dich noch sonst irgendjemanden!“
Mein Knöchel schmerzte immer noch. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt, Cassandra darum zu bitten, mich zu heilen. Doch das war mir im Moment auch herzlich egal.
„Du hast gewonnen. Ich verschwinde“, verkündete ich leise. „Aber einen Gefallen kannst du mir noch erweisen, Bishop.“
Nach kurzem Zögern antwortete er. „Gerne. Was denn?“
„Bleib mir von der Pelle.“
Er schien überrascht. „Was?“
Auch wenn ich mich nicht gut dabei fühlte - ich musste das sagen. Zu viel war heute Nacht geschehen. Das Mordopfer war der Beweis. Bishop verbrachte zu viel Zeit damit, sich um mich zu kümmern, anstatt die anderen Menschen in Trinity zu beschützen. Damit musste Schluss sein, und zwar sofort.
„In der Nähe deiner Seele zu sein …“, stieß ich hervor, „wird immer schwieriger für mich. Ich mag nicht, wie ich mich fühle, wenn du bei mir bist. Also mach das, was Cassandra dir bereits empfohlen hat: halt dich von mir fern. Alle von euch, das gesamte Team - haltet euch bitte von mir fern!“
„Ich auch? Ich wohne doch bei dir!“, warf Cassandra ein.
„Bis auf Cassandra“, korrigierte ich mich und sah den blonden Engel an. „Doch du musst mir auch mehr Raum lassen. Ich bin ab sofort nicht mehr Teil des Teams.“
„Das warst du nie“, murmelte Roth.
Bishop sah mich eindringlich an. „Wie kann man nur so stur sein?“
„Lass mich einfach in Ruhe, Bishop. Bitte.“
Er stieß Luft aus. „Wenn du das wirklich willst.“
„Mehr als alles andere.“
Und dann ging ich weg. Mein Knöchel schmerzte mit jedem Schritt. Ich konzentrierte mich auf den Schmerz, damit ich nicht zu weinen anfing. Und mich nicht umdrehte und ihn anflehte, er solle vergessen, was ich gerade gesagt habe. Ich wäre nur kurz außer mir gewesen, hätte es allerdings nicht so gemeint.
Nein, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Er musste seinen Fokus wiederfinden. Je schneller, desto besser für die Mission. Und desto schneller konnte er in den Himmel zurückkehren und geheilt werden.
Ich redete mir ein, das Gray-Opfer hätte diese Entscheidung in mir bewirkt, aber in Wirklichkeit hatte ich schon vorher daran gedacht. Vor Stephen, vor Seth. Als Bishop zuließ, dass ich ihn küsste. Er hatte sich nicht dagegen aufgelehnt, sondern hatte es ebenso sehr gewollt wie ich.
Ich hätte ihn heute Nacht umbringen können, ohne dass er sich im Geringsten gewehrt hätte.
Doch jetzt hatte ich ihn auf andere Weise verletzt. Ich ließ ihn nicht mehr in meine Nähe kommen.
Ein paar Blocks vom Ambrosia entfernt war eine Bushaltestelle. Auf dem Weg dorthin bemerkte ich, dass ich verfolgt wurde.
Ich erstarrte kurz,
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