Gray Kiss (German Edition)
dachte, Engel und Dämonen könnten Grays spüren.“
Schweigend schaute er mich einen Moment lang an. „Ich habe mich auf einen anderen Gray konzentriert heute Abend - auf Stephen.“
„Falls du es vergessen haben solltest: Vor dir steht auch eine Gray“, erwiderte Roth knurrend. „Vielleicht hat sie selbst den Menschen getötet.“
„Spinnst du?“ Ich sah ihn an.
„Nein.“
„Oder es war Stephen“, schlug Kraven vor. „Wenn es um Seelen geht, steht er vielleicht ja auch auf Männer?“
„Nein, er war es auch nicht“, entgegnete ich. „Es muss jemand anderer gewesen sein.“
„Woher willst du das so genau wissen?“, fragte Bishop und musterte mich forschend.
„Weil ich Stephen vor einer halben Stunde aus dem Club gefolgt bin.“ Ich wartete, bis diese Information gesackt war. „Ja, ich habe mit ihm gesprochen. Nur leider hatte er keine große Lust auf Konversation.“
„Was ist passiert?“, fragte Cassandra und trat auf mich zu. „Hast du deine Seele zurückbekommen?“
„Nein.“ Ich wollte nicht, dass meine Stimme zitterte. „Er hat kein Interesse daran, mir zu helfen. In diesem Augenblick erreicht er die Stase. Morgen früh kann er tot sein, und ich habe keine Ahnung, wo er sich versteckt.“
„Den wären wir los“, murmelte Roth.
Bishop fluchte leise und strich sich mit der Hand über die Stirn. „Ich habe ihn nicht mal gesehen.“
„Es ist vorbei.“ Die Angst schnürte mir die Brust zu.
„Nein, das ist es nicht. Wir werden weiter nach ihm suchen. Doch du gehst nach Hause. Dort bist du in Sicherheit.“
„In Sicherheit?“, spie ich aus. „Ich soll nach Hause gehen, weil ich dort in Sicherheit bin?“
„Rede ich Chinesisch?“
„Oh-oh“, murmelte Kraven. „Ärger im Paradies.“
„Ich muss euch helfen.“ Ich war frustriert. Ich konnte doch nicht daheim herumhocken und nichts tun. Ich wollte nicht allein sein. Ich hatte jetzt schon Klaustrophobie.
„Du hilfst uns am besten, indem du uns unsere Arbeit erledigen lässt“, sagte Bishop.
„Die ihr so gigantisch gut macht“, unterbrach ich ihn. „Na bravo.“
Mit zusammengepressten Lippen murmelte er: „Mir ist klar, dass du enttäuscht bist. Es ist nicht leicht für dich. Aber es wird auch nicht leichter, wenn wir Stephen nicht finden.“
„Er ist schon lange weg.“ Plötzlich war ich niedergeschlagen. Mir fehlte die Kraft, mich zur Wehr zu setzen. „Es ist alles vorbei. Meine Seele ist weg. Ich bin eine Gray und bestehe nur noch aus Hunger, Bishop. Das ist alles, was von mir übrig geblieben ist.“
„Das stimmt nicht.“ Er kam näher.
Zu nah. Ich legte ihm die Hände auf die Brust, überraschte ihn allerdings damit, dass ich ihn nur von mir wegschob. „Ich meine es ernst. Halt Abstand, okay? Oder willst du es mir unbedingt schwerer machen?“
„Keine Ahnung“, grummelte er. „Willst du unbedingt eine Zicke sein?“
Ich reagierte mit einem überraschten Lachen.
Die drei anderen beobachteten uns mit einer Mischung aus Interesse und Wachsamkeit. Ich nahm sie nur am Rande wahr. Ich konzentrierte mich voll auf den Engel, der sich jetzt über mich beugte.
„Was hast du vorhin gesehen?“, fragte er leise. „In meiner Erinnerung?“
Das zählte nicht, einfach das Thema wechseln! „Egal.“
„So wie du mich anschaust, scheint es dir nicht egal zu sein. Also?“
„Wie schaue ich dich denn an?“
„Verächtlich.“
„Wirklich?“ Dabei verachtete ich ihn nicht, im Gegenteil. Ich mochte zwar verwirrt sein, was meine Gefühle für ihn betraf, aber ganz sicher hasste oder verachtete ich ihn nicht. Niemals könnte ich ihn hassen.
„Och bitte“, bat Kraven besonders sarkastisch. „Sagt uns, worum es geht. Wir sind so fasziniert von allem, was mit euch beiden zu tun hat. In Freud und Leid.“
„Was ich gesehen habe? Nur ein Bruchstück deiner Vergangenheit. Und du kannst dir sicher sein, es war nicht gerade ein Spaß.“
„Ein Bruchstück der Vergangenheit?“, mischte Cassandra sich ein. „Wie ist das möglich?“
Bishop ignorierte sie. Er starrte mich nur an. Mit einem Blick, der von Wahnsinn zeugte. „Du wolltest doch mehr über meine Vergangenheit wissen, Samantha. Vielleicht solltest du vorsichtiger sein mit dem, was du dir wünschst.“
„Wir verschwenden hier nur unsere Zeit“, bemerkte Roth.
„Das stimmt“, pflichtete Bishop ihm bei und wandte sich von mir ab. Endlich kriegte ich wieder Luft. „Geh nach Hause, Samantha. Sofort. Und lass mich jetzt dafür sorgen,
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