Gray Kiss (German Edition)
Form einer strahlenden Flamme in unserer Gefängniszelle erscheinen. Normalerweise hatte ich keine Tendenz zu diesen Mädchenfantasien, in denen der strahlende Held seine Liebste in allerletzter Minute aus höchster Not rettet. Abgesehen davon war in diesem Fall nicht ich diejenige, die gerettet werden musste, sondern Jordan. Im Gegenteil: Ich war das Böse.
„Ich habe es immer gewusst“, flüsterte Jordan.
Ich blieb in meiner Ecke sitzen, gut drei Meter von ihr entfernt - wodurch es allerdings auch nicht besser wurde. „Was?“
„Dass es in dieser Stadt etwas gibt, was größer ist. Übernatürlich. Das habe ich schon immer geglaubt.“ Sie lächelte, doch es war ein ängstliches, gequältes Lächeln. „Meine Mutter sucht immer solche Hellseher auf. Jede Woche. Ich schätze, sie macht es, um sich die Psychotherapie zu sparen. Wenn sie zu einem Medium geht, kann sie alle ihre Probleme auf jenseitige Aktivitäten schieben. Dabei bin ich mir sicher, dass sie nicht mal weiß, dass es das alles wirklich gibt!“
„Aber du weißt es.“
Sie presste den Backstein an sich, als wäre er ein Teddybär. „Ich habe es gespürt. Ich glaube, ich besitze so was wie übersinnliche Wahrnehmung. Für Geister und solches Zeug. Als ich ein Kind war, hat mir nie jemand geglaubt, also habe ich irgendwann niemandem mehr davon erzählt. Ich hatte es selbst fast vergessen. Doch in letzter Zeit sind meine Wahrnehmungen wieder stärker geworden.“
Ich horchte auf. Das war wichtig. „Seit wann genau?“
„In den letzten paar Wochen.“
Ich lehnte mich gegen die Wand. Falls Jordan wirklich übernatürliche Fähigkeiten besaß, waren diese in dem Moment wieder aktiv geworden, als Bishop mit seinem Team in die Stadt gekommen war und sie die Barriere aktiviert hatten, um alle übersinnlichen Wesen hier festzuhalten. „Jordan Fitzpatrick, das hellsichtige Medium.“
Sie lachte trocken. „Du hast keine Ahnung, wie viel Kohle einige von diesen Leuten scheffeln. Und ich wette, die meisten sind Betrüger.“
„Auf jeden.“
Sie blinzelte, und ihr Lächeln erlosch. „Ich habe ihn geliebt.“
Trotz des abrupten Themenwechsels war mir klar, von wem sie sprach. „Das weiß ich.“
Ihre Augen wurden feucht. „Als er mit mir Schluss machte, habe ich überhaupt nicht verstanden, wieso. Ich dachte, vielleicht weil er jetzt an der Uni ist und ich immer noch auf der Highschool. Aber ich hatte geglaubt, dass was zwischen uns ist … Okay, wir waren nicht besonders lange zusammen, doch … Ich war mir sicher, es stimmt alles. Ich habe mich total schnell in ihn verliebt. Er war so wunderbar, bis ich merkte, dass er Geheimnisse hat, die er mir nicht anvertrauen wollte. Ich versuchte, sie zu lüften, aber da ging er total auf Distanz.“
Ich sagte nichts mehr. Es war, als würde sie über Bishop und mich reden. „Es gibt Geheimnisse, die zum Fürchten sind.“
„Ich habe mich nicht vor Stephen gefürchtet. Damals nicht. Jetzt ja. Er hat mir vorher nie wehgetan. Auch nicht, als er wohl schon verwandelt war. Erst ist mir in den Sinn gekommen, er betrügt mich. Doch selbst das hätte ich ihm verziehen. Ich hätte ihn trotzdem wieder genommen, auch nachdem ich gehört habe, dass er mit dir rumgemacht hat …“ Sie warf mir einen kurzen Blick zu. Offensichtlich begriff sie gerade etwas. „Das war der Moment, oder? Als er dich küsste, da ist es passiert.“
Ich nickte. Den Kloß in meinem Hals konnte ich nicht so schnell runterschlucken.
„Dieser Scheißkerl“, zischte sie. „Er hätte es mir sagen müssen! Ich hätte ihm helfen können, damit es nicht so schlimm wird. Und jetzt läuft er da draußen rum und bringt Leute um! Er ist ein Killer, Samantha. Der Kerl, den ich liebe, ist ein Killer!“ Sie sah mich irritiert an. „Wieso weinst du?“
„Verdammt.“ Ich wischte mir mit meiner unverletzten Hand übers Gesicht. Ich wollte keine Schwäche zeigen, jetzt allerdings war es geschehen. Je mehr sie von Stephen sprach, desto mehr musste ich an Bishop denken und wie viel er mir bedeutete, obwohl ich von den schrecklichen Ereignissen in seiner Vergangenheit wusste.
Ungläubig starrte sie mich an. „Du darfst mich nicht hängen lassen!“
Ich schüttelte den Kopf. Meine Bewusstseinstrübung nahm wieder zu. Ich kam aus diesem Loch einfach nicht mehr heraus. Es wurde nur tiefer. „Ich kann mich nicht konzentrieren.“
Jordan wirkte nur noch entschlossener. „Doch, kannst du. Jetzt überleg doch mal! Ganz offensichtlich besitzt
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