Gray Kiss (German Edition)
du bestimmte übernatürliche Kräfte. Du bist halb Dämon, halb Engel - was ich zwar für komplett albern halte, aber na gut. Also überleg dir, wie wir es hier raus schaffen, sonst muss ich dir den Schädel einschlagen!“
Meine Gedanken rasten, doch ich landete immer wieder nur bei Bishop und der Verbindung, die zwischen uns bestand - die es ihm erlaubte, mich aufzuspüren. Doch das funktionierte in letzter Zeit ja nicht mehr verlässlich. Nur das Eindringen in seine Gedanken war so stark wie eh und je. „Es gibt nur eine Möglichkeit. Ich muss mit jemandem Kontakt aufnehmen.“
„Kein Handy, schon vergessen?“
„Nein, nicht per Telefon.“ Ich schloss die Augen. „Ich … Ich glaube, es existiert eine andere Chance, die allerdings nicht hundertprozentig klappt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es aussichtslos ist.“
Sie stöhnte frustriert. „Wie kann man nur so pessimistisch sein! Jetzt mach schon!“
Sinngebende Worte meiner Erzfeindin Jordan Fitzpatrick.
In meinem Traum von Bishop, in dem wir gemeinsam Schach spielten, bevor alles in Mord und Totschlag endete, hatte er etwas Wichtiges zu mir gesagt. Nämlich, dass ich das Eintauchen in seine Gedanken kontrollieren könnte. Damals hatte ich ihm nicht geglaubt, denn das war immer so zufällig und unvorhersehbar geschehen. Plötzlich war ich in seinen Verstand eingedrungen.
Und dann sagte Jordan etwas: Sie erinnerte mich daran, dass ich halb Engel, halb Dämon war. Aber das war so nicht richtig. Ich war die Tochter eines Engels und eines Dämons. Ich war ein Nexus. Ich war die Verbindung, der Mittelpunkt, die Verschmelzung der Energien von Himmel und Hölle.
Das klang sehr viel mächtiger, fand ich.
Und doch hatte ich an dieser Macht immer gezweifelt und sie nur genutzt, wenn sie von sich aus da war. Wenn es um Lichtsäulen ging, zum Beispiel. Das lag außerhalb meiner Kontrolle. Es passierte einfach. Was ich kontrollieren konnte, war, mich in die Gedanken eines Dämons einzuschleichen. Das war anstrengend, manchmal aber auch ganz einfach. Wenn man mich nicht blockierte, war es einfach.
Doch vielleicht machte ich alles schwieriger, als es war.
Ich dachte, bei Bishop fiel es mir relativ leicht, weil ich einen Teil seiner Seele besaß, der immer noch in mir war. Deswegen könnte ich seine Erinnerungen sehen, wenn ich in seine Augen schaute. Bishops Seele war seit unserem Kuss die Brücke zwischen uns. Und diese Brücke musste ich finden und sie überschreiten.
Und zwar sofort.
21. KAPITEL
Ich konzentrierte mich auf den Teil von Bishop, der immer bei mir war - die Erinnerung an unseren Kuss. Die Wärme seiner Berührung. Sein tiefer, endloser Blick, mit dem er mich anschaute, selbst wenn ich ihn frustrierte und umgekehrt.
Seine Seele, dieses Ding, das ihm so viele Probleme verursacht hatte, war wunderschön - ein silbernes Band, das sich von mir ausgehend zu einem Punkt am Horizont erstreckte, den ich nicht sehen konnte.
Und all das sah ich, wenn ich die Augen schloss. Ich gebe zu, das hört sich reichlich bizarr an, doch das war real. Das war er. Ich wusste es.
Ich hielt mich an dem silbernen Band fest wie an einem Seil und ließ mich von ihm zu Bishop bringen. Ich wehrte mich nicht dagegen, erzwang es allerdings auch nicht. Ich ließ es einfach geschehen.
„Beeil dich“, hörte ich Jordan quengeln.
Verärgert öffnete ich ein Auge. „Würdest du bitte kurz …“
Zack!
„… muss irgendwo in der Stadt sein.“ Bishop lief auf dem Bordstein auf und ab. Es war dunkel geworden. Hohe Gebäude umgaben ihn, aus Glas, Beton und Stahl. Aus seinem Augenwinkel sah ich den Verkehr auf der Straße, es war Rushhour, alle fuhren von der Arbeit nach Hause. Bishop war also im Stadtzentrum, in einer namenlosen Straße, auf der ich selbst sicher schon eine Million Mal gestanden hatte.
„Oder sie ist tot“, hörte ich Roth in der Nähe sagen.
Bishop drehte sich zu ihm um. „Halt den Mund.“
Als Antwort erntete Bishop einen finsteren Blick. „Ich habe langsam die Schnauze voll davon, den Mund zu halten.“
Bishop schaute die anderen an - alle waren sie da, Roth, Cassandra, Kraven, Zach und Connor - und sie wiederum beäugten ihn mit Vorsicht, Unsicherheit oder Verachtung.
Er richtete seinen Blick auf Cassandra. „Bring Roth weg von hier, damit ich ihn nicht mehr sehen muss.“
Sie trat langsam einen Schritt auf Bishop zu. „Wir machen uns alle Sorgen um sie, das weißt du doch. Als sie letzte Nacht nicht nach Hause kam
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