Gray Kiss (German Edition)
Kraven.
Bishop riss den Dolch aus dem Futteral und drückte ihn an seinen nackten Arm.
Für einen kurzen Moment flackerte unsere Verbindung in diesem Wahnsinn, und ich fürchtete, ich würde ihn verlieren.
Connor hielt seinen Arm fest, bevor er sich einen Schnitt versetzen konnte. „Nicht!“
Bishop schubste ihn weg. „Es muss sein. Anders geht es nicht.“
Was für ein Horror. „Wag es ja nicht, dich zu schneiden!“ Ich schrie nicht laut, doch ich sandte meine Worte über das silberne Band. Es war dieselbe Verbindung, die mich die Welt durch seine Augen sehen ließ. Eine Art metaphysisches Fernsehkabel.
Die Klinge stoppte.
„Sie ist es“, flüsterte Bishop.
„Bishop …“, begann Zach vorsichtig.
Ich konnte nicht glauben, dass das alles wirklich geschah. Er hörte mich!
„Samantha?“, fragte Bishop heiser. „Bist das wirklich du?“
Eine Million Fragen und Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wie war das möglich? Was hatte das zu bedeuten? Doch das spielte jetzt keine Rolle. „Ich schwöre es, Bishop. Wenn du dich noch einmal selbst verletzt, bringe ich dich um!“
Er schnaubte leise, war sich immer noch unsicher. „Das ist unglaublich! Wo bist du?“
„Oh Mann“, ließ Kraven sich vernehmen. Er stellte sich vor seinen Bruder und sah ihn zweifelnd an. „Jetzt ist er wirklich völlig übergeschnappt.“
Ich tat, was ich immer tat, wenn sich dieser Dämon einmischte - ich ignorierte ihn. „Stephen hat mich gestern Morgen entführt. Er hält mich in einem Raum gefangen, aber ich habe keine Ahnung, wo.“
„Wie geht das? Wieso kann ich dich in meinem Kopf hören?“
„Jetzt spricht er mit sich selbst“, kommentierte Kraven amüsiert.
„Halt den Mund“, fuhr Zach ihn an. „Das bringt uns nicht weiter.“
Kraven verdrehte die Augen. „Was auch immer. Er ist verrückt geworden, ganz klar. Merkst du das nicht?“
Meine Güte! Wie frustrierend. „Sag James, ich habe ihn gewarnt, er soll den Mund halten!“
Bishop schnaubte verächtlich. „Dann quatscht er doch erst recht weiter.“
Das Bild, das ich durch Bishops Augen sah, wurde wieder statisch. Es flackerte schwarz, weiß - und wurde wieder normal. „Ich glaube, viel länger hält die Verbindung nicht, Bishop. Pass auf. Ich bin über dieses Stückchen Seele von dir mit dir verbunden, das ich immer noch in mir trage. Das ist unsere Verbindung, deshalb kann ich Dinge sehen. Es funktioniert in beide Richtungen, da bin ich mir sicher. Du musst dieses Band nur finden, dann kannst du ihm folgen.“
„Mach ich. Ich werde dich finden, das schwöre ich dir.“
„Aber beeil dich. Ich … Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.“
„Was meinst du damit?“ Seine Stimme klang jetzt barsch. „Hat dieser Mistkerl dir etwas angetan? Ich werde ihn töten!“
„Stephen hat mich in einem Zimmer eingesperrt mit jemandem … mit jemandem, der eine Seele hat. Bitte, du musst mich …“
Zack!
Der Faden, der uns verband, verschwand, und mein Verstand kehrte in das kleine Zimmer zurück. Ich riss die Augen auf.
„Was machst du da?“, wollte Jordan wissen. „Glaubst du wirklich, Meditation kann uns jetzt helfen?“
Ich sah sie an. „Das wollen wir hoffen.“
Es fühlte sich so seltsam an. Gerade war ich in Bishops Gedankenwelt gewesen, und das hatte mir Wärme gegeben. Die ganze Zeit, während ich alles mit seinen Augen wahrnahm, hatte ich kein einziges Mal an die Erinnerung von Kravens Tod gedacht. Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich hatte nur diese Wärme gespürt. Er war nicht mehr derselbe, der er damals gewesen war.
Ich hatte ihn aufgefordert, mich in Ruhe zu lassen, und er hatte sich daran gehalten. Aber es war die größte Lüge meines Lebens gewesen.
„Und jetzt?“, fragte Jordan. Sie klang nicht mehr wütend.
Ich schluckte. „Jetzt warten wir ab.“
Ich konzentrierte mich auf meinen Herzschlag, aber bei Tausend hörte ich auf zu zählen. Mein Magen knurrte. Ich hatte zu lange nichts mehr gegessen. Normale Nahrung würde ein wenig helfen. Je mehr ich aß, desto besser fühlte ich mich. Aber eigentlich war es nie genug.
Irgendetwas traf mich am Bein, und ich öffnete die Augen. Vor mir lag ein Energieriegel.
„Iss das“, befahl Jordan.
„Das wird nicht helfen.“
„Iss es trotzdem.“
Ich verschlang den Riegel und versuchte, mir einen Plan B einfallen zu lassen. Denn mit jeder Minute, die verstrich, schwanden meine Selbstbeherrschung und meine Entschlossenheit.
Ich begann wieder zu frieren, bekam eine Gänsehaut.
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