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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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sie sich das vor? Das ist eine grundsatzentscheidung bitte diskutieren sie in zukunft mit mir nicht mehr darüber. ES IST ZWECKLOS ÜBER VERSCHÜTTETE MILCH ZU WEINEN. Ich erinnere sie an meine UMFASSENDEN Sicherheitsmaßnahmen.

    Arjun verbarg den Kopf in seinen Händen.

D er Wurm, der unter dem Namen Leela02 oder LeelaServer bekannt wurde, wurde zum ersten Mal am Nachmittag des 13. Juni auf den Philippinen gemeldet, wo der Netzwerkverkehr sich zu einem Kriechen verlangsamte, während sich immer schneller vermehrende Kopien des Organismus nach neuen Computern Ausschau hielten, um sie zu infizieren. In den USA verbreitete sich Leela02 langsamer, aber aufgrund einiger erheblicher Sicherheitslücken doch so rasant, dass das Virus in den Medien eine Aufmerksamkeit erlangte, wie sie sich sein Schöpfer nicht in seinen schlimmsten Albträumen ausgemalt hätte.
    Am 14. Juni morgens um 8.45 Uhr MST war in der Stadt Guthrie, Oklahoma, einige Stunden, bevor Arjun seinen Chef unter vier Augen zu sprechen versuchte, eine Wasseraufbereitungsanlage gezwungen gewesen, ihre Tätigkeit einzustellen: Die Computer, die den Filterungsprozess kontrollierten, waren zusammengebrochen. In den Stunden nach Geschäftsbeginn berichteten größere Firmen in mehreren Staaten, darunter eine regionale Investmentbank, von Problemen mit der Datenbanksoftware, die auf öffentlichen Servern lief. Um 11.10 Uhr MST erlitt eine Einsatzzentrale, die den Rettungsdienst für drei vorstädtische Polizeireviere und fünfzehn Feuerwehren in Boulder, Colorado, versah, einen »katastrophalen Computer-Systemausfall«. Deren Telefonisten waren gezwungen, Papier und Bleistift zu benutzen, um Anrufe zu notieren und Einsatzteams loszuschicken. Die Regierung des Staates Colorado fragte in Washington an, ob das Land von Hackern angegriffen werde. Washington verneinte, aber nach eiligen Konsultationen mit dem FBI, dem Ministerium für Heimatsicherheit, dem nationalen Infrastruktur-Schutzzentrum und der CIA wurde die kategorische Verneinung zurückgenommen, und der Sprecher des Präsidenten, Gavin Burger, berühmt für seine Zweireiher und die ungenierte Verteilung seiner spärlichen Haarreste über den ganzen Schädel, hielt eine Pressekonferenz, in der er die Einschätzung der Situation durch die Regierung »als noch in der Schwebe« bezeichnete.
    Schon am Morgen darauf sah sich Burger auf der Pressekonferenz einem Trommelfeuer von bohrenden Fragen ausgesetzt. Die Presseleute, denen bereits Agenturmeldungen über eine Anlagenschließung in Montevideo und das zeitweilige Erliegen des Datenverkehrs im Fernen Osten vorlagen, wollten die ganze Wahrheit erfahren. Kam die Sache aus einem Schurkenstaat? Oder einem feindlichen Underground-Netzwerk? Waren Regierungsdienststellen betroffen? Wie schätzte er die wirtschaftlichen Auswirkungen ein? Die New York Times wollte wissen, ob die Regierung bestätigen oder dementieren könne, dass das Land angegriffen werde. In seiner Antwort erinnerte Gavin Burger die versammelten Journalisten daran, dass »jeder Versuch der Gefährdung oder Schwächung unserer Fähigkeit, bezüglich unserer schwierigen Infrastruktur wirksam tätig zu sein, sei es auf dem Gebiet der Telekommunikation, der Energie, des Bank- und Finanzwesens, der Wasserversorgung, in Grenzbereichen operativer Regierungstätigkeit oder der reibungslosen und ungehinderten Durchführung unserer unentbehrlichen Notdienste, als Ereignis innerhalb eines Rahmens betrachtet werden muss, der stark auf bewusste Bedrohung und feindliche Absicht hindeutet. Wir sind dabei, die augenblickliche Situation zu untersuchen und einzuschätzen, und werden mit äußerster Eile und Kraft Schritte unternehmen, um angemessene, vernünftige und vernichtende Gegenmaßnahmen einzuleiten, die nach den neuesten Ergebnissen dieser Gefahreneinschätzung angebracht sind.«
    Die Dame von der Times war sich nicht sicher, ob das ja oder nein hieß, übermittelte aber einen Artikel, der die Lage bedrohlich erscheinen ließ. In ganz Amerika begannen die Bürger mit Argwohn auf die Computer auf ihren Schreibtischen zu blicken. Diese Geräte, die ihre Benutzer bisher immer nur im Kleinen terrorisiert hatten – indem sie abstürzten, stehen blieben oder sinnlose Upgrades verlangten –, schienen noch etwas viel Bedrohlicheres innezuhaben, etwas, das eigene Ziele verfolgte. Das war es, der Feind im Inneren, eine technische fünfte Kolonne in den Heimstätten gewöhnlicher Amerikaner. Als das TalkRadio sich der

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