Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
Vom Netzwerk:
sein können.
    Er redete ununterbrochen, und obgleich er eitel und ichfixiert war, war es wohltuend, mit ihm zusammen zu sein. Er gab ihr das Gefühl, weit entfernt zu sein von sich und dem Morast, in dem sie zu versacken drohte.
    Er fuhr sie rechtzeitig zum Abendessen ins Hotel zurück, und das Filmteam tat so, als schaue es nicht hin, als Indiens früherer Actionheld Nummer eins der fremden Dame hinauf in ihr Zimmer folgte.
    Sex brodelte mit plötzlicher Heftigkeit zwischen ihnen hoch. Er rieb sein Gesicht an ihrem, und seine Bartstoppeln schrubbten über ihre Lippen und Wangen, während sie sich in Richtung Bett kämpften. Sie grub ihm ihre Nägel in den Nacken, und er zerrte ihren Rock zu ihrer Taille hoch und fummelte mit einer Hand zwischen ihren Beinen. Alles war ungestüm, hastig. Als er sie aufs Bett warf, erblickte sie kurz sein Gesicht und sah, dass er sie am liebsten geschlagen hätte; und in diesem Moment wünschte sich ein Teil von ihr, er täte es, er bestätige ihr ihre Unwirklichkeit, ihre Fähigkeit, einfach spurlos zu verschwinden. Sie kam fast sofort. Fünf Minuten später rief Guy an.
    »Schätzchen?«

B eim Sex dieser Tage ging es für Rajiv Rana hauptsächlich darum, Spannung abzubauen. Da du dafür berühmt bist, auch unter großem Druck Ruhe zu bewahren (wenn du zum Beispiel von einer Bande lathis schwingender Verbrecher angegriffen wirst oder an deinen Fingern unter einer zusammenbrechenden Hängebrücke baumelst), kann es vielleicht für dich von Bedeutung sein, dass deine öffentliche Rolle ein Spiegelbild deiner Leinwandrolle ist. Das Gefühlsvokabular eines Actionhelden ist begrenzt. Keine Trotzanfälle. Keine Tränen. Du musst den Widrigkeiten mit einem witzigen Spruch und einem linken Haken begegnen.

    INSPEKTOR KHANNA
    (lächelt ironisch)
    Sie wissen, dass Sie nicht rauchen sollten … Es ist schlecht für die Gesundheit.

    ZEBISCOs Wagen explodiert in einem Feuerball.

    Fast fünfzehn Jahre lang hatte Rajiv Rana bis zum Erbrechen ausschließlich sich selbst gespielt, auf Partys und bei Shows, bei Eröffnungen und Premieren, Wohltätigkeitsauktionen und politischen Versammlungen. Er war ein Profi. Er war gewandt. Er war angespannt.
    Er war verängstigt.
    Eine Menge, die seinen Slogan brüllte.
    Du … solltest nicht … rauchen! …
    Seine Stimme hallte in einem Hotelbadezimmer wider, in die Enge getrieben und hohl.
    »Baba, wie schön, Sie zu hören. Und das aus Dubai. Ich fühle mich geehrt. Und Ihre Gesundheit?«
    Filmdraufgänger bedeuten hier nichts. Sprich mit Baby Aziz am Telefon, und du bekommst einen trockenen Mund. Das liegt zum Teil an den Geschichten aus alten Zeiten, in Mumbais Straßen. Eine Girlande abgehackter Finger. Ein Tycoon, der mit gebrochenen Gliedern an der Kaimauer des Marine Drive entlangkriechen muss. Die Schießereien, die mit Säure verätzten Gesichter – all das gehört jetzt der Vergangenheit an. Es muss lange her sein, dass der Mann am anderen Ende der Leitung eine größere körperliche Anstrengung auf sich nahm, als seinen korpulenten Leib auf eine Sonnenliege zu hieven. Aber Erinnerungen beglaubigen die Gegenwart, sie garantieren, dass du in diesen distanziert-passiven Zeiten der Hawala-Kuriere, die Geld aus Fernost überbrachten, der abgekarteten Kricketmatches in Durban, der Apartmentkomplexe am Golf und der RDX-Verstecke in Azad Kaschmir, dass du also auch jetzt seine asthmatische bidi- Raucherstimme hören und dich erinnern wirst, dass auch du trotz deines Geldes und deiner Millionen von Fans in seiner Einflusssphäre liegst.
    »Also, eine Party. Ihre Partys sind berühmt. Wie viele Damen sind diesmal dabei, eh?«
    Aziz gab ein leises, mechanisches Lachen von sich und ließ, obgleich er nicht danach gefragt worden war, die Namen mehrerer berühmter Männer fallen, die zurzeit seine Gastfreundschaft genossen. Ein schneller Werfer beim Kricket. Der Direktor eines Softdrinkunternehmens. Im Nachbarzimmer befand sich ein Mitglied aus einem der regierenden Häuser des Emirats und ließ sich gerade den Schwanz lutschen. Im Nachbarzimmer. Ich könnte den Telefonhörer in die Höhe halten, eh? Das waren so die Dinge, an denen Aziz seine Freude hatte. Er war bemerkenswert indiskret.
    »Sprich lauter«, sagte er zu Rajiv. »Es ist ein merkwürdiges Rauschen in der Leitung.«
    Dann kam er zur Sache.

    Baby Aziz war nicht immer der Besitzer von Rajiv Rana gewesen. Ein Filmstar kann eigenen Einfluss im Umgang mit der Unterwelt ausüben. Produzenten sind an

Weitere Kostenlose Bücher