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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Nachrichten ging das Leben weiter.
    »Henry macht Eier«, sagte Sara. Archie konnte die Eier im
selben Moment riechen, ein Geruch nach Salz und Fett, der von der Küche
hereinwehte. Es drehte ihm den Magen um.
    »Du musst aufstehen«, sagte Sara.
    Archie rieb sich das Gesicht und sah auf die Uhr. Es war 6.30
Uhr.
    Sara nahm seine Hand und begann zu ziehen.
    Er trug eine Pyjamahose, die ihm Debbie vor ein paar Jahren zu
Weihnachten gekauft hatte, und kein Hemd. Als er sich aufsetzte,
rutschte die Decke weg und seine vernarbte Brust lag frei. Er spürte
die kalte Luft an seinem Oberkörper, sah, wie sich Saras Augen
weiteten. Rasch löste er seine Hand und zog die Decke bis an die
Achseln. Er rechnete damit, dass Sara zurückweichen würde, aber
stattdessen schmiegte sie sich an ihn und schlang die Arme halb um
seinen Hals. »Ich habe auch Narben«, flüsterte sie. Sie strich ihr Haar
zurück, um ihm die papierdünne Narbe am Haaransatz zu zeigen, wo sie
mit drei Jahren vom Schlitten gefallen war. »Siehst du?«, sagte sie.
    Archie berührte die Narbe am Kopf seiner Tochter. Sie war so
zart, dass er sie mit seinen dicken Fingern kaum wahrnahm. Nicht
annähernd wie die Risse, von denen seine Haut gezeichnet war. Wenn er
über die Topografie seiner eigenen Narben fuhr, konnte er sich immer
vorstellen, dass er die Oberfläche eines fremden Planeten befühlte.
    Archie küsste sie auf die Stirn, genau auf die Narbe. »Geh ein
bisschen Ei essen«, sagte er. »Ich bin gleich auf.«
    Erst als Sara den Raum verlassen und die Tür geschlossen
hatte, zog er die Decke ganz fort und setzte sich an den Rand des
Betts. Er befühlte die herzförmige Narbe, unter der sein Herz schlug.
Er mochte es, wie sie sich jetzt anfühlte, und er ließ die Finger lange
darübergleiten, ehe er nach seiner Hose griff, mit den Pillen in der
Tasche.
    Er sah zu dem Ticker am unteren Rand des Bildschirms. Zwei
Brände waren zu einem verschmolzen.
    Archie duschte und rasierte sich. Die Wirkung des Vicodin
setzte unter dem warmen Regen der Dusche ein, und als er mit dem
Rasieren fertig war, fühlte er sich angenehm benebelt. Die Pillen
erzeugten eine Art dumpfes Grollen in seinem Kopf, das die
Schuldgefühle zum Verstummen brachte. Er dachte manchmal daran, sie
aufzugeben. Aber immer nur, wenn er morgens aufwachte. Nie, wenn er
ihre Wirkung verspürte.
    Er wählte eine braune Hose und ein braunes Hemd und ging dann
in die Küche. Die Kinder hatten bereits fertig gegessen, und Debbie
half ihnen gerade in ihre Jacken. Henry stand in Debbies weißer
Küchenschürze am Herd und machte Rührei. Sein Kopf war frisch rasiert.
Er trug andere Sachen als am Abend zuvor. Offenbar hatte er
vorausschauenderweise eine Reisetasche mitgebracht.
    Henry sah zu Archie und lächelte. »Du siehst aus, wie ein
UPS-Fahrer«, sagte er.
    Sara rannte von Debbie zu Archie und rammte ihm ihre metallene
Brotzeitbox in den Oberschenkel. Ben blieb, wo er war, und ließ sich
von Debbie den Reißverschluss der gelben Jacke zuziehen.
    Sara sah zu Archie hinauf. »Ich habe heute eine
Rechtschreibprobe«, sagte sie. Ihre rote Jacke ahmte einen Marienkäfer
nach, mit schwarzen Punkten auf dem Rücken und zwei Fühlern auf der
Kapuze.
    »Du bist in der ersten Klasse«, sagte Archie.
    »Henry hat mich ausgefragt.«
    »Sie kann besser buchstabieren als ich«, sagte Henry.
    Debbie kam und legte die Hand auf Saras Schulter, dann küsste
sie Archie auf die Wange. »Bis heute Abend«, sagte sie. »Henry hat
gesagt, er würde auf die Kinder aufpassen. Wir könnten ausgehen, etwas
unternehmen.«
    »Sicher«, sagte Archie.
    Debbie nickte und nahm Sara an der Hand. »Gehen wir«, sagte
sie. »Ben, gib deinem Vater einen Kuss.«
    Ben trottete vor, und Archie beugte sich hinunter, sodass sein
Sohn ihm einen Abschiedskuss geben konnte.
    »Ich liebe dich, Daddy«, sagte Sara. »L-I-B-E.«
    »Da fehlt ein E«, sagte Archie.
    Und dann waren sie draußen.
    Archie holte sich eine Tasse Kaffee und setzte sich an den
Küchentisch. Das Geschirr der Kinder stand noch da, mit Brotkrusten,
verschmiertem Ei und Fett.
    »Meine Waffe?«, sagte Archie.
    Henry ging zu einem der hohen Hängeschränke über dem Herd,
langte nach oben und zog Archies Waffe heraus. Er brachte sie zum Tisch
und legte sie vor Archie. »Sie ist leer«, sagte er.
    Archie hob sie auf und hielt sie einen Moment in der Hand, ehe
er sie in sein ledernes Gürtelholster steckte.
    »Willst du noch darüber reden?«, fragte Henry.
    »Wird sie gerade

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