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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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nicht mit ihr sprechen zu lassen«,
sagte Tony.
    »Schon gut«, sagte Archie und beendete das Gespräch. »Schon
gut.« Die Pillen schmerzten wie Sodbrennen. Es war ein vertrauter
Schmerz. Der Abflussreiniger, den ihm Gretchen eingeflößt hatte, hatte
seine Speiseröhre verätzt. Es hatte Monate gedauert, bis er sich von
der Operation erholt hatte. Er stand noch einen Moment mit dem Telefon
in der Hand da, dann schleuderte er es mit aller Kraft gegen die Wand
seines Arbeitszimmers. Es fiel in zwei Teilen auf den Boden, die
Batterien rollten über den Teppich. Debbie stieß einen erschrockenen
Laut aus und ließ das Wasserglas fallen. Einen Augenblick später
zersplitterte eine gerahmte Belobigung an der Wand und fiel herunter.
Debbie ging in die Hocke, um das Glas aufzuheben. Es war auf den
Teppich gefallen und heil geblieben. Hilflos blickte sie auf die
Pfütze, die sich in die Fasern saugte.
    In diesem Augenblick hasste Archie sie. »Du hast davon
gewusst«, sagte er.
    Debbie blickte erschrocken auf. »Henry hat es mir gerade
erzählt.«
    Ihr gekränkter Gesichtsausdruck schnitt Archie ins Herz. Er
spürte, wie seine Beine nachgaben, und sank vor seinem Schreibtisch auf
den Boden. Er ließ den Kopf hängen und legte die Arme in den Nacken.
Und immer noch konnte er nur an Gretchen denken. »Ich weiß, ich brauche
Hilfe«, sagte er. Er war verzweifelt, sein Puls raste, als könnte er
jeden Moment hyperventilieren. Er überlegte fieberhaft, was er sagen
könnte, damit Henry seine Meinung änderte. Es war ihm egal, was. »Mach
die Verlegung rückgängig«, sagte er. »Ich kann mich zusammenreißen. Was
du willst. Aber ich muss sie sehen.«
    Henrys Stimme nahm den Tonfall an, den Archie schon unzählige
Male von ihm gehört hatte, wenn sie einen Verdächtigen befragten. »Du
hast Monate durchgehalten, ohne sie zu sehen«, sagte Henry. »Und es
ging dir besser.«
    Archies Schädel pochte. Er drückte mit Daumen und Zeigefinger
an seinen Nasenrücken.
    »Nein«, sagte er mit einem traurigen Lachen. »Es ging mir
nicht besser.«
    Debbie kam zu ihm und sank neben ihm auf die Knie. »Wir tun
das für dich, Archie.«
    »Ich brauche sie«, sagte Archie, seine Stimme war kaum mehr
als ein Flüstern. Die Pillen steckten immer noch in seinem Hals. »Ihr
glaubt, ihr helft. Aber ihr macht alles nur schlimmer.«
    Debbie legte ihm beide Hände an die Wangen. »Du fehlst mir so
sehr.«
    Er sah ihr in die Augen. Ihre Hände fühlten sich fremd an auf
seiner Wange. Unvertraut. »Lass mich in Ruhe«, sagte er. Er blickte zu
Henry empor. »Du auch.«
    Debbie löste die Hände von ihm, stand auf und stellte sich
hinter Henry. Eine Hand lag auf seinem Arm.
    »Archie?«, sagte Henry.
    Archie blickte auf. Hinter Henry und Debbie sah er das
Fernsehgerät; ein flaggengeschmückter Sarg, der Wagen, der aus dem
Willamette geborgen wurde, die weinende Witwe des Senators.
    »Ich brauche deine Waffe heute Nacht«, sagte Henry. »Ich werde
auf der Couch schlafen. Du bekommst sie morgen früh zurück.«
    »Natürlich«, sagte Archie. Er angelte seinen Schlüssel vom
Schreibtisch und warf ihn Henry zu. Dann beobachtete er, wie Henry um
den Tisch ging und die Schublade aufschloss, in der Archie seinen
Dienstrevolver aufbewahrte. Henry holte ihn aus der Schublade,
vergewisserte sich, dass er leer war und schloss die Schublade.
    Dann legte er seine große Hand auf Archies Schulter und ließ
sie lange liegen. »Es tut mir leid«, sagte er.
    Archie wusste nicht, ob es ihm wegen Gretchen leid tat, oder
weil er ihm die Waffe abgenommen hatte. Oder weil er sich mit Debbie
verschwor. Es spielte auch keine Rolle. Falls Archie sich umbringen
wollte, würde er nicht seine Waffe benutzen. Er würde es mit den Pillen
tun. Gretchen hätte es gewusst.

_17_
    A rchie wachte mit steifen Gliedern auf. Es
lag zum einen an der Ausklappcouch in seinem Arbeitszimmer und zum
andern daran, dass er die ersten Pillen des Tages noch nicht genommen
hatte. Es war jeden Morgen, als würde er mit Grippe aufwachen. Das
Erste, was er wahrnahm, war die Steifheit in Armen und Beinen, der
Schmerz in den Rippen, sein pochender Schädel, und dann stand Sara
neben dem Bett, mit einem roten Overall und einem rosa T-Shirt, bereits
für die Schule angezogen.
    Der Fernseher lief noch. Eine Luftaufnahme von orangeroten
Flammen war zu sehen. Der lokale Sender hatte eine Pause im Betrauern
des Senators eingelegt, um von einem Waldbrand irgendwo in der Mitte
Oregons zu berichten. Selbst in den

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