Grazie
aber er fühlte die Hitze bereits an
die Scheiben drücken. Mehrere Medienfahrzeuge standen vor dem Gebäude
im Halteverbot. Henry merkte sich im Geist vor, sie anzuzeigen.
»Sie waren einmal mit Beverly Overlook zusammen«, sagte er und
sah Buddy an.
Buddy verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich
zurück. »Du meine Güte«, sagte er. »Das ist Jahre her.«
»Haben Sie zu ihrem Sohn gesagt, er soll nicht mit Susan Ward
über die Molly-Palmer-Sache sprechen?«, fragte Henry.
»Ja. Ich wollte nicht, dass sie in eine schmutzige Geschichte
geraten.«
Henry war nie sehr vertraut mit Buddy gewesen. Archie kannte
ihn besser. Aber sie hatten natürlich zusammengearbeitet in jenen
frühen Jahren, als Buddy die Soko geleitet hatte. Und Buddy hatte immer
schon gern von sich gesprochen. »Sie haben früher für Lodge gearbeitet,
nicht wahr?«, sagte Henry. »Als Bewacher.«
Buddy nickte. »Als ich noch Polizist war, ja. Vor der Soko.
Das liegt aber viele Jahre zurück, mein Freund.«
»Kannten Sie diese beiden jungen Leute, die verschwunden sind?
Stuart und Annabelle?«
Buddy machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nach meiner Zeit.
Ich kannte Stuart. Flüchtig. Es gab die Theorie, dass er ausgerastet
ist und erst seine Freundin getötet hat und dann sich selbst. Die
Polizei hat die Leichen nie gefunden. Ich dachte immer, dass er sie
wahrscheinlich in den Wald geführt hat. Mord, Selbstmord, Sie wissen
schon. Der Junge wirkte immer ein bisschen überfordert.«
Im Prinzip keine schlechte Theorie, dachte Henry. Sie parkten
an der 23. Straße. Gingen in den Wald. Nur dass es seine Leiche gewesen
war, die man durch die Holzhäckselmaschine gejagt hatte. Vielleicht
hatte also sie es getan. Ihn getötet, sich der Leiche entledigt. Dann
hatte sie das Entsetzen vor ihrer eigenen Tat gepackt, und sie hatte
sich umgebracht, dort in den Büschen. Oder vielleicht waren das auch
gar nicht die beiden. Vielleicht waren Stuart und Annabelle einfach nur
ausgestiegen und hatten sich dem Friedenskorps angeschlossen. Oder sie
lebten in einer Hütte in Malaysia.
»Wussten Sie von Lodges Beziehung zur Babysitterin seiner
Kinder?«, fragte Henry.
»Ich hatte keine genaue Kenntnis«, sagte Buddy. Er sagte es
ohne Zögern, ohne mit der Wimper zu zucken, mit fester Haltung.
»Natürlich hatte ich Gerüchte gehört im Lauf der Jahre. Wie alle«,
fügte er bedeutungsvoll an. »Aber ich schwöre, ich dachte, sie wäre
älter gewesen. Viele Politiker machen herum. Das bringt der Job so mit
sich.« Er rollte einen Ärmel herunter und knöpfte ihn zu. »Sollten Sie
nicht eigentlich nach Archie suchen?«, fragte er.
Henry stand am Fenster. Ein weiteres Pressefahrzeug parkte
ein. »Ich denke, das tue ich«, sagte er.
Er blickte wieder zu Buddy, der gerade am zweiten Ärmel
arbeitete. »Wann haben Sie es herausgefunden?«, fragte Henry. »Nur der
Neugier halber.«
»Senator Lodge hat den Schuletat um dreißig Prozent erhöht, er
hat die Gesundheitsfürsorge auf eine halbe Million Kinder ausgedehnt,
die Altenfürsorge in diesem Bundesstaat praktisch neu erfunden und mehr
als dreihunderttausend Hektar Land als Naturschutzgebiet ausgewiesen«,
sagte Buddy und knöpfte die zweite Manschette zu. Er sah zu Henry auf.
»Er war ein großer Senator und ein großartiger Mensch. Und genau so
werde ich ihn in Erinnerung behalten.«
Die beiden starrten einander einen Moment lang an. Lodge hatte
zwei seiner fünf Wahlen mit dem knappsten Vorsprung in der Geschichte
des Bundesstaats gewonnen. Doch seit er tot war, begegnete Henry
ausschließlich Leuten, die angeblich immer für ihn gestimmt hatten.
Henry schaute wieder aus dem Fenster. »Ich werde eine Weile
bleiben«, sagte er. »Sie können gehen.«
Er hörte, wie Buddy den Laptop schloss, dann das Geräusch
seiner teuren Schuhe auf dem Teppich, als er die Suite verließ. Buddy
war ein Strippenzieher und ein politisches Stehaufmännchen, und Henry
zweifelte nicht daran, dass er den Jungen davor gewarnt hatte, mit
Susan zu sprechen. Er war außerdem überzeugt davon, dass Buddy in Bezug
auf das, was er wusste und seit wann er es wusste, nicht die Wahrheit
sagte. Henry hatte nur keine Ahnung, was alter politischer Klatsch,
selbst wenn er strafrechtlich verfolgungswürdig war, mit der Suche nach
Archie zu tun hatte.
Die Tür zum Elternschlafzimmer ging auf, Debbie kam in einem
kurzärmligen Nachthemd durch die Tür und zog sich einen Bademantel des
Hotels über die sommersprossigen Schultern.
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