Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Applaus hielten einige Zeit an,
und eine fast religiöse Hysterie ergriff das Parlament,
als hätte ihm Gott gerade höchstpersönlich einen
Rettungsring zugeworfen. Du Bois sah sich mit güti
gem Lächeln um. Douglas’ Gesicht blieb ungerührt,
aber Lewis zeigte ganz offen finstere Miene, und sein
hässliches Gesicht verriet Beunruhigung. Er hielt die
Pistole noch in der Hand. Douglas wartete geduldig
ab, dass sich der Tumult wieder legte, aber als das
nicht geschah, gab er Lewis einen Wink und dieser
hob sofort den Disruptor. Du Bois wich einen Schritt
zurück, und der Jubel brach allmählich ab, während
sich die ehrenwerten Abgeordneten bereitmachten,
erneut die Köpfe einzuziehen.
»Leider«, sagte Douglas gelassen, »sind sämtliche
Unterlagen über Owen Todtsteltzers Schicksal, worin
immer es bestanden haben mag, für uns verloren –
vor zweihundert Jahren von Robert und Konstanze
und dem damaligen Parlament aus Gründen vernich
tet, die ihnen zweifellos ausreichend erschienen. Was
die anderen angeht, die durch das Labyrinth des
Wahnsinns gingen und übermenschlich wurden: Wir
wissen, dass Jakob Ohnesorg und Ruby Reise tot
sind, dass sie bei der letzten großen Konfrontation
mit Shub umkamen, ehe die KIs erwachten. Diana
Vertue brachte die Leichen in die alte Todtsteltzer
burg zurück, und heute ruhen Jakob und Ruby in den
Siegesgärten hinter diesem Haus. In Heldengräbern,
geschmückt mit Standbildern, die ihr Andenken eh
ren. Ihr könnt gern für ihre Rückkehr beten, aber ich
würde nicht mit einer zeitigen Antwort rechnen. To
bias Mond lebt weiter als Einsiedler auf Lachrymae
Christi, und seit hundert Jahren hat ihn niemand
mehr gesehen. Wir werden natürlich versuchen, ihn
zu erreichen, aber wenn man den Legenden Glauben
schenkt, sind seine Fähigkeiten nicht mit denen
Owens zu vergleichen. Dann wäre da noch Kapitän
Schwejksam, der ebenfalls vor einem Jahrhundert
verschwand und dessen Schicksal ein ebensolches
Rätsel bleibt wie das des gesegneten Owen.
Ehrenwerte Abgeordnete, wir sollten uns daran er
innern, dass uns Owen Todtsteltzer in der Stunde
seines größten Triumphes verlassen hat, und dass
niemand den Grund dafür kennt oder weiß, wohin er
gegangen ist. Die Helden von einst … sind gegan
gen, sie alle. Ich erkläre dem Hohen Haus: Wir dür
fen uns nicht einfach zurücklehnen und darauf war
ten, dass der gesegnete Owen wieder erscheint, um
uns erneut zu retten! Legenden sind Legenden; wir
hingegen müssen uns mit Tatsachen auseinander set
zen. Ganze Welten schweben in Gefahr. Wir müssen
uns darauf vorbereiten, uns zu verteidigen!«
»Natürlich«, sagte du Bois, und sein Ton war der
Inbegriff von Ruhe und Vernunft. »Aber Owen kann
te den Schrecken. Er wusste von seinem Kommen,
und er schien zu wissen, wie man ihn besiegen könn
te. Also schlage ich vor: Während wir die Heere der
Menschheit mobilisieren, um den Schrecken zurück
zuschlagen, sollten wir unsere größten Helden auf
die Suche nach Owen Todtsteltzer schicken! Entsen
det die Paragone auf ihre größte und edelste Suche –
den geliebten Owen zu finden und nach Hause zu
bringen!«
Diesmal erschütterten die Jubelschreie und der
Applaus beinahe die Fundamente des großen Saals.
Das Hohe Haus war von dieser Idee wirklich begeis
tert. Douglas dachte darüber nach und stellte fest,
dass es ihm aus allerlei praktischen Gründen nicht
anders ging. Die Paragone auf eine große Suche
schicken! Noch über die Parade hinaus würde das
dabei helfen, ihr Image wiederherzustellen und sie
gleichzeitig lange genug auf Distanz zur Öffentlich
keit zu bringen, dass alle die Zeit fanden, um die Ex
zesse während des Aufruhrs der Neumenschen zu
vergessen. Und wer wusste schon … vielleicht fan
den sie Owen gar! Douglas besprach das mit Lewis,
der langsam nickte.
»Soll ich mich an der Suche beteiligen?«, fragte
Lewis vorsichtig. »Ich stamme von ihm ab, wenn
auch nicht in direkter Linie. Ich bin ein Todtsteltzer.«
»Du bist kein Paragon mehr«, sagte Douglas. »Du
bist mein Champion. Aber ja, Lewis, ich denke, du
solltest dich beteiligen. Als ein Todtsteltzer.«
Und weil es eine echt gute Möglichkeit ist, mich los
zuwerden, dachte Lewis, aber es war kein wirklich bit
terer Gedanke. Mich auf eine Suche zu schicken und
fort von Jesamine. Er weiß, dass ich gehe, wenn er
mich auffordert. Weil ich ein Todtsteltzer bin und weiß,
was meine Pflicht ist. Weil er der König ist und mein
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