Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
Tür öffnen und ihm etwas zu essen bringen. Und dann wäre er bereit. Er würde denjenigen überwältigen und sich zu Vikus, Ripred, Ares oder einem anderen Verbündeten durchkämpfen. Er würde hier rauskommen und allen erzählen, was Solovet ihm angetan hatte. Er würde – was war das?
Die Tür ging auf, Gregor presste sich an die Wand. Er überschlug, dass er ein paar Sekunden Zeit hatte, um seine Wachen anzugreifen und auszubrechen. Aber irgendetwas brachte ihn aus dem Konzept. Er hörte Stimmen vor der Tür. Eine war tief, vermutlich Horatio oder Marcus. Aber die zweite war hell und eindeutig weiblich. Die Person stritt mit der Wache, doch Gregor konnte die Worte nicht verstehen. Wer mochte das sein? Weder Luxa noch Gregors Mutter. Sie waren beide zu krank.Hatte Dulcet ihn gesucht und gefunden? Oder Perdita, nachdem sie Seite an Seite in den Feuerländern gekämpft hatten?
Der Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür ging auf. Gregor wurde vom Licht einer Fackel geblendet. Eine zitternde Stimme kam vom Flur her. »Gregor, ich bin es nur. Du kannst dein Schwert wieder einstecken.«
Es war Nerissa, Luxas Cousine. Gregor brauchte nicht zu fragen, woher sie wusste, dass er sich im Kerker befand und jetzt mit gezücktem Schwert dastand, um die Wache anzugreifen. Nerissa konnte Dinge sehen, die anderen verborgen blieben. Sie hatte Visionen von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bestimmt hatte sie ihn hier gesehen und gewusst, dass er Hilfe brauchte.
Nerissa konnte er vertrauen, aber solange die Wachen da waren, wollte er das Schwert nicht wegstecken. »So ist es mir lieber«, sagte er, ohne sich zu rühren.
Nerissa trat in die Zelle und stützte sich am Türrahmen ab. Sie war dünn und zerbrechlich wie eh und je, und die schweren, unglücklich gewählten Kleider, die sie trug, um sich warm zu halten, schienen sie fast zu erdrücken. Ihre langen Locken waren zu einem losen Zopf geflochten, für Nerissas Verhältnisse fast so etwas wie eine Frisur. »Wir brauchen dich im Codezimmer.«
Es war das erste Mal, dass Gregor vom Codezimmer hörte. Aber bestimmt war es im Vergleich zum Kerker eine Verbesserung. »Will Solovet da mit mir reden?«, fragte er.
»Das wird sie wollen. Wenn ich mit ihr gesprochen habe«, sagte Nerissa. »Doch zunächst musst du mich zu ihr begleiten. Und du musst dir von Horatio und Marcus die Hände fesselnlassen, sonst werden sie es nicht wagen, dich herauszulassen. Sie tun es nur, weil ich ihnen erklärt habe, welch eine Gefahr uns droht. Das Wichtigste ist, dass wir den Code entschlüsseln, und es sieht nicht gut aus. Bitte vertraue mir, Gregor.«
Obwohl er ihr absolut vertraute, konnte er sich nicht dazu durchringen, das Schwert wegzustecken und sich von den Wachen die Hände auf den Rücken binden zu lassen. Es widerstrebte ihm zutiefst, sich so auszuliefern. Aber wenn er aus dem Kerker rauskommen konnte, ohne die Wachen niederzuschlagen, umso besser. Andernfalls wäre er auf der Flucht gewesen und dann wäre es noch schwieriger, sich frei zu bewegen. Trotzdem war er unschlüssig, bis Nerissa sagte: »Luxa hat nach dir gefragt.«
»Ja? Dann lebt sie? Ich meine, klar lebt sie, sonst könnte sie ja nicht nach mir fragen, aber sie ist also richtig wach?«, platzte er heraus. Ihm war plötzlich ganz schwindlig, er konnte nicht mehr klar denken.
»Ja, es geht ihr besser. Und sie möchte dich sehen«, sagte Nerissa. »Aber solange du im Kerker bist, werde ich ein Treffen schwerlich arrangieren können.«
Da steckte Gregor das Schwert endlich ein und ließ sich von Horatio die Hände mit dem Lederband fesseln. Dann folgte er Nerissa durch den Palast nach oben, die Wachen links und rechts neben sich. Luxa lebte! Sie hatte es geschafft! Er merkte, dass er übers ganze Gesicht strahlte.
Doch als sie nach oben kamen, wurde er von der Stimmung in den Gängen schnell ernüchtert. Alle, an denen er vorbeikam, sahen besorgt aus. Sie sprachen gedämpft und gehetzt. Hin undwieder hörte er Wehklagen. Er erinnerte sich daran, wie die Körper der Unterländer über dem Tunneleingang in den Feuerländern übereinandergelegen hatten. Nicht alle hatten so viel Glück gehabt wie Luxa. Als er bei der Tür des Ratszimmers ankam, war ihm das Grinsen längst vergangen.
Auch gut, dachte Gregor. Er wollte Solovet gegenüber keine Gefühlsregung zeigen. Keine Wut, keine Angst – und Freude schon gar nicht. Als er hineinging, versuchte er so unbewegt zu gucken wie der steinerne Ritter.
Das
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