Gregor und der Fluch des Unterlandes
Lass ihn seine Schuld bei dir abtragen.«
»Ja, ich will zusehen, dass wir wieder quitt sind«, sagte Ripred.
»Ich werde keine Befehle von dir entgegennehmen«, fuhr Luxa Ripred an. »Du wirst meine Befehle befolgen.«
Ripred zuckte die Achseln. »Soll mir recht sein. Ich hab mein Leben lang Befehle erteilt, das reicht. Du sagst, wo es langgeht. Solltest du jedoch zu gegebener Zeit meinen Rat brauchen, zögere nicht, mich zu fragen.«
»Dann lasst uns aufbrechen«, sagte Luxa. »Haltet euch an das Tempo des Nagers.«
Sie stiegen wieder auf die Fledermäuse und flogen so schnell, wie Ripred lief. Ripred war ganz gut zu Fuß, wennman bedachte, dass er mehrere Wochen in einer Grube festgesessen hatte.
Gregor grübelte über die Huscher nach. Wie wollten die Ratten sie alle umbringen? Wollten sie sie von einer Klippe stoßen wie im Gang des Hades? Sie ertränken? Er war sich ziemlich sicher, dass Mäuse schwimmen konnten. Sie aushungern? Das schien im Unterland ja eine beliebte Methode zu sein. Oder vielleicht würden sie versuchen, sie mit einer Seuche zu infizieren …
Etwa eine halbe Stunde später schaute Gregor nach unten und sah, dass Ripred dringend eine Pause brauchte. Er keuchte heftig und hatte schon Schaum vorm Mund. Gregor wusste, wie stur Ripred war; er würde nicht von sich aus um eine Pause bitten.
»Ripred kann so nicht weiterlaufen«, sagte Gregor zu Luxa.
»Es tut ihm gut«, sagte Luxa.
»Er kriegt einen Herzinfarkt«, sagte Gregor.
»Mach dir wegen Ripred keine Sorgen«, sagte Luxa.
»Willst du, dass er tot umfällt?«, sagte Gregor.
Luxa beugte sich über Auroras Flügel und sah, wie Ripred sich abmühte, um mit ihnen Schritt zu halten. Dann setzte sie sich auf. »Er ist zu niederträchtig, um zu sterben«, sagte sie.
»Luxa!« Plötzlich hatte Gregor die Nase voll von ihr. »Okay, halt! Alle landen!«, rief er.
»Du erteilst hier keine Befehle!«, sagte Luxa.
»Du aber auch nicht. Jedenfalls nicht mir«, sagte Gregor. Er schwang sich von Auroras Rücken, während sie noch in der Luft war, und ging zu Ares hinüber, der gerade landete. Thalia und Temp saßen übereinander auf Ares. »Thalia, kannst du fliegen?«
»Ja, wenn es nicht allzu schnell gehen muss«, sagte sie.
»Ares, kannst du Ripred tragen?«, fragte Gregor. Ares war die einzige Fledermaus, die vielleicht stark genug war.
»Ich kann es versuchen«, sagte Ares.
»Nein, Ares, du musst die Ratte nicht tragen«, sagte Luxa.
»Oh doch«, sagte Gregor. »Thalia, du übernimmst Temp.«
»Ach, hast du jetzt hier das Sagen?«, fragte Luxa.
»Warum muss einer von uns das Sagen haben? Alles lief bestens, bis du den Krieg erklärt hast und anfingst, alle rumzukommandieren!«, sagte Gregor.
»Soweit ich mich erinnere, fing das schon viel früher an«, sagte Ripred, während er sich auf Ares’ Rücken hievte. »Sie war schon als Baby selbstherrlich.«
»Ich versuche, den Huschern zu helfen!«, sagte Luxa.
»Ach ja? Du hilfst ihnen aber nicht, indem du Ripred quälst«, sagte Gregor. Sie sah ihn wütend an und machte den Mund auf, aber Gregor ließ sie nicht zu Wort kommen. »Und es ist mir egal, ob du dich darüber aufregst, Luxa. Reg dich nur auf! Dann sprichst du eben nicht mit mir. Das tust du ja sowieso fünfundneunzig Prozent der Zeit nicht. Du bist doch andauernd wegen irgendwas aufmich sauer. Meistens weiß ich noch nicht mal, weshalb! Ist ja auch egal! Ich wohne nicht hier. Ich bin nur zu Besuch. Wenn ich dir helfe, dann nur, um dir einen Gefallen zu tun! Nicht, weil ich dir irgendwas schuldig wäre. Und wenn wir wieder in Regalia sind, werde ich nach Hause geschickt, und wir können vergessen, dass wir uns je gekannt haben! Okay?«
Das letzte Wort blieb im Tunnel hängen. Gregor war von dem Ausbruch selbst überrascht. Das war zu heftig gewesen. Warum hatte er sich so aufgeregt? Hatte es damit zu tun, dass er ein Wüter war? Warum hatte er das gesagt? Und was hatte er überhaupt gesagt? Er wusste es nicht mehr genau, aber er sah Luxa an, dass er sie verletzt hatte.
»Gre-go ist zu laut!«, sagte Boots. Sie rannte zu Luxa und hielt beschützend ihre Hand. »Schsch, Gre-go.«
Alle starrten ihn an und warteten darauf, was er als Nächstes tun würde. »Ich glaub, so geht es wirklich schneller«, sagte Gregor schroff.
»Gut«, sagte Luxa und ging zu Aurora. Boots trottete neben ihr her.
Howard berührte Gregor an der Schulter. »Vielleicht fliege ich besser mit …«
»Ja, ich fliege auf Nike«, sagte Gregor.
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