Gregor und der Spiegel der Wahrheit
Labor, wo ich die Krankheit untersuche. Möchtest du mich begleiten?«, fragte Neveeve. »Es liegt außerhalb von Regalia, aber die Besprechung über das Heilmittel wird ohnehin erst später fortgesetzt.«
Nike flog sie aus dem Palast hinaus, über die Stadt und die Arena hinweg. Die Leiche der Fledermaus war schon weggeschafft worden und das Moos der Arena war mit einer gelben Schicht Flohpulver bedeckt. Sie flogen in einen Tunnel hinein und nahmen einige Fackeln aus den Haltern an den Wänden. Als sich der Tunnel gabelte, wusste Gregor, dass er hier schon einmal gewesen war.
»Geht es hier nicht zu Ares’ Höhle?«, fragte er.
»Ich glaube, ja. Ich bin noch nie dort gewesen«, sagte Neveeve. »Man sagt, sie liege gut verborgen. Deshalb dauerte es mehrere Tage, bis Howard und Andromeda ihn fanden und ins Krankenhaus brachten.«
»Ist er nicht gekommen, als es ihm schlecht ging?«, fragte Gregor.
»Nein, Vikus hatte seit Wochen nichts von ihm gehört. Da flogen Howard und Andromeda aus und suchten nach seiner Höhle. Er war schon so krank, dass sie ihn tragen mussten«, sagte Neveeve.
Gregor stellte sich Ares vor, wie er krank und allein in seiner Höhle lag – all seine Freunde tot oder vermisst und Gregor, mit dem er verbunden war, unerreichbar. »Armer Ares.«
»Ja«, sagte Neveeve. »Ares wurde unschuldig gepeinigt, und das ist nun das Ergebnis.«
Gregor war überrascht, denn Ares war im Unterland nicht gern gesehen. Man misstraute ihm, und die meisten Menschen und Fledermäuse hätten ihn gern tot gesehen. Dass Neveeve solches Mitgefühl für Ares aufbrachte, machte sie Gregor sympathisch.
»Kannten Sie ihn gut?«, fragte Gregor.
»Nein, das nicht. Nachdem du Regalia verlassen hattest, wollte Ares nicht in die Stadt zurückkehren aus Furcht, man würde ihn wieder einsperren. Auf Vikus’ Anweisung behandelte ich in meinem Labor weiterhin die Wunden am Rücken, die die Mücken Ares zugefügt hatten. Selbst da bestand er aber darauf, erst spät in der Nacht zu kommen, wenn nur ich zugegen war.«
»Ich bin froh, dass Sie das getan haben«, sagte Gregor.
»Wie gesagt, ich bin der Meinung, dass man ihm unrecht tat«, sagte Neveeve.
Ihr Labor befand sich in einer Reihe großer, miteinander verbundener Höhlen. An der Hinterseite einer Höhle verlief ein Fluss, den man zu einem schmalen Kanal begradigt hatte. Verschiedene Laborgeräte standen auf langen steinernen Theken. Ein paar Leute mit Handschuhen gingen ihrer Arbeit nach. Auch einige Fledermäuse waren da, schauten ins Mikroskop und beratschlagten mit den Menschen.
Neveeve führte Gregor in einen Raum, der durch eine schwere Steintür vom übrigen Labor getrennt war. »Hier führe ich meine Forschungen durch«, sagte sie und schloss sorgfältig die Tür hinter sich.
Gregor sah Reagenzgläser und Bechergläser und mehrere Mikroskope. An einer Wand befanden sich vier steinerne Würfel mit großen Glasbehältern darin. Die Behälter erinnerten Gregor an Wasserkühltanks. Er ging näher heran, um einen von ihnen genauer zu betrachten. Kleine schwarze Pünktchen krabbelten darin herum. Flöhe. Der Schein seiner Fackel wurde von einer leuchtend roten Lache auf dem Grund des Behälters zurückgeworfen. Gregor begriff, dass es Blut war, und machte einen Satz zurück. Dabei stieß er mit dem Arm an den Behälter daneben. Der kippte zur Seite, doch Gregor fing ihn gerade noch auf. Zum Glück war er leer.
»Entschuldigung! Du meine Güte«, sagte Gregor und stellte den Behälter wieder richtig hin.
»Gut gefangen«, sagte Neveeve mit einem hohen Lachen. »Ein Glück, denn diese Behälter wurden eigens für die Pest hergestellt und sind nur schwer zu ersetzen. Es dauerte Monate, bis ich diesen bekam, nachdem der davor zerbrochen war. Mit diesem hier werde ich ein vielversprechendes Gegenmittel testen.«
Gregor stellte die Fackel in einen Halter und steckte die Hände in die Taschen, damit er nicht noch einmal gegen etwas stoßen konnte. Das wäre ja noch schöner, wenn er jetzt ein Experiment zerstören würde, das womöglich allen das Leben retten konnte.
Die Ärztin erzählte ihm, was sie über die Pest wusste. Sie wurde durchs Blut übertragen, nicht durch die Luft, mankonnte sich also nicht anstecken, wenn man von jemandem angeniest wurde, sondern nur, wenn das Blut eines Infizierten in den eigenen Körper eindrang. An dieser Stelle kamen die Flöhe ins Spiel. Sie übertrugen die Krankheit von einem Warmblüter auf den anderen.
»Bei vielen Seuchen
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