Gregor und die graue Prophezeiung
uns speist.«
Henry zwinkerte Gregor zu. »Tausch deinen Teller mit den Fledermäusen«, flüsterte er, gerade als zwei Fledermäuse im Sturzflug aus der Hohen Halle kamen. »Ah, da sind sie ja schon!«
Gregor erkannte die goldene Fledermaus, auf der Luxa gesessen hatte. Eine große graue Fledermaus flatterte auf einen Stuhl neben Vikus und alle setzten sich.
»Gregor der Überländer, ich stelle dir Aurora und Euripides vor. Sie sind mit Luxa und mir verbunden«, sagte Vikus und hielt der grauen Fledermaus zu seiner Rechten eine Hand hin. Euripides streifte die Hand mit einem Flügel. Luxa und ihre goldene Fledermaus Aurora vollführten dasselbe Ritual.
Gregor hatte gedacht, die Fledermäuse wären für dieUnterländer so etwas wie Pferde, aber jetzt begriff er, dass sie gleichberechtigt waren. Ob sie sprechen konnten?
»Sei gegrüßt, Überländer«, sagte Euripides mit weicher, schnurrender Stimme.
Tatsächlich, sie konnten sprechen. Gregor fragte sich, ob der Fisch, den es nachher geben sollte, vielleicht auch ein Schwätzchen halten wollte, bevor er das Messer ansetzte.
»Freut mich, euch kennen zu lernen«, sagte Gregor höflich. »Was bedeutet das, ihr seid miteinander verbunden?«
»Kurz nach unserer Ankunft im Unterland sind wir Menschen ein besonderes Bündnis mit den Fledermäusen eingegangen«, sagte Solovet. »Beide Seiten erkannten, welche Vorteile es hatte, sich zu verbünden. Aber über dieses allgemeine Bündnis hinaus können einzelne Fledermäuse mit bestimmten Menschen eine eigene Verbindung eingehen.«
»Und was macht man, wenn man mit einer Fledermaus verbunden ist?«, fragte Gregor. »Außer dass man miteinander Ball spielt, meine ich.«
Es trat eine Pause ein, in der die anderen am Tisch Blicke austauschten. Er war schon wieder ins Fettnäpfchen getreten.
»Man hilft einander am Leben zu bleiben«, sagte Luxa eisig.
Offenbar hatte er sich über etwas sehr Ernstes lustig gemacht. »Ach so, das wusste ich nicht«, sagte Gregor.
»Natürlich nicht«, sagte Solovet und sah Luxa streng an. »In deinem Land habt ihr nichts dergleichen.«
»Verbindet ihr euch auch mit den Krabblern?«, fragte Gregor.
Henry prustete los. »Da könnte ich mich genauso gut mit einem Stein verbinden. Bei dem könnte man sich wenigstens darauf verlassen, dass er in der Schlacht nicht davonläuft.«
Luxa grinste. »Und man könnte vielleicht damit werfen. Vermutlich könnte man auch mit einem Krabbler werfen …«
»Aber dann müsste man ihn ja anfassen!«, sagte Henry und die beiden krümmten sich vor Lachen.
»Die Krabbler sind nicht als Kämpfernaturen berühmt«, erklärte Vikus. Weder er noch Solovet lachten. Er wandte sich zu Luxa und Henry. »Und doch leben sie weiter. Vielleicht werdet ihr mehr Respekt vor ihnen haben, wenn ihr den Grund für ihre Langlebigkeit begriffen habt.«
Henry und Luxa bemühten sich, eine ernste Miene aufzusetzen, aber ihre Augen lachten immer noch.
»Es dürfte für die Krabbler kaum von Bedeutung sein, ob ich sie respektiere oder nicht«, sagte Henry gelassen.
»Vielleicht nicht, aber es ist von großer Bedeutung, ob Luxa sie respektiert. Das wird es jedenfalls in etwa fünf Jahren sein, wenn sie alt genug ist zu regieren«, sagte Vikus. »Dann könnte ein alberner Scherz auf Kosten der Krabbler zu einer Frage von Leben und Tod werden. Siebrauchen keine Krieger zu sein, um in der Unterwelt das Zünglein an der Waage zu spielen.«
Das ernüchterte Luxa, und es war gleichzeitig das Ende der Unterhaltung. Eine unangenehme Pause dehnte sich zu einem peinlichen Schweigen aus. Gregor glaubte zu verstehen, was Vikus meinte. Man konnte die Krabbler besser zum Freund als zum Feind haben, und die Menschen sollten sie nicht beleidigen.
Gregor war erleichtert, als das Essen kam und ein Diener mehrere Schälchen in einem Halbkreis vor ihm aufstellte. In mindestens drei Schälchen war etwas, das aussah wie verschiedene Pilzsorten. Ein Schälchen enthielt ein reisähnliches Getreide, und im kleinsten Schälchen war eine Hand voll frisches Gemüse. Die spärliche Portion verriet ihm, dass das Grünzeug für die Unterländer eine echte Delikatesse war.
Dann wurde eine Platte mit einem ganzen gegrillten Fisch vor ihm auf den Tisch gestellt. Der Fisch sah so ähnlich aus wie die Fische, die Gregor kannte – bis auf die Tatsache, dass er keine Augen hatte. Mit seinem Vater hatte er mal eine Sendung über Fische gesehen, die tief unten in irgendeiner Höhle lebten und auch keine
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